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Clinton auf Mission Impossible

Von Agnes Tandler

Politik

Pakistan sperrt sich gegen den Druck der USA und gegen den Einfluss Indiens.


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Islamabad. Die Delegation ist außergewöhnlich hochkarätig, doch der Empfang in Pakistan fast bösartig. "Pakistan ist eine Atommacht und kein schwaches Land wie der Irak oder Afghanistan", beschwor Pakistans mächtiger Armeechef Ashfaq Kayani Parlamentarier in Islamabad vor der Ankunft von US-Außenministerin Hillary Clinton am Donnerstag. Amerika werde sich einen Angriff auf pakistanischem Boden "zehn Mal" gut überlegen.

Die US-Chefdiplomatin hat als Verstärkung für ihre Mission den neuen CIA-Chef David Petraeus und dem Oberbefehlshaber des US-Militärs, Martin Dempsey, mitgebracht. Die ungewöhnliche Phalanx politischer und militärischer Macht reist nach Afghanistan und Pakistan, um den Abzug des Westens vom Hindukusch in geordnete Bahnen zu lenken. Petraeus war bis vor kurzem noch Chef der Nato-Truppen in Afghanistan. Doch für eine politische Lösung am Hindukusch muss vor allem Afghanistans Nachbar Pakistan mitspielen, denn in Islamabad liegt der Schlüssel für Friedensverhandlungen mit den aufständischen Taliban. Aber die Macht-Troika aus Washington stößt in Pakistan auf eine Atmosphäre von Misstrauen und Wut, in Afghanistan hingegen auf eine Welle der Ratlosigkeit.

Im vergangenen Monat war Afghanistans oberster Verhandlungsführer mit den Taliban, Burhanuddin Rabbani, von einem Selbstmordattentäter getötet worden. Danach hatte Afghanistans Präsident Hamid Karzai alle Gespräche mit den Aufständischen auf Eis gelegt. Nun will Clinton vor Ort ausloten, wie es nach zehn Jahren Krieg ohne klaren Sieger weiter gehen soll.

USA-Druck auf Pakistanzur Terrorbekämpfung

Amerika hat in letzter Zeit den Druck auf Pakistan stark erhöht, gegen das mit den Taliban verbündete Haqqani-Terrornetzwerk vorzugehen, das in Pakistans unwirtlicher Grenzregion Nord Wasiristan sein Rückzugsgebiet hat und für zahlreiche schwere Anschläge auf US-Einrichtungen und andere westliche Ziele in Afghanistan verantwortlich ist. Der spektakuläre 20-Stunden-Angriff auf die amerikanische Botschaft in Kabul im September soll auf das Konto der Haqqanis gehen.

Pakistan hat gänzlich andere Vorstellungen als die USA, wie die politische Nachkriegsordnung in Afghanistan aussehen soll, wenn 2014 die letzten Nato-Kampfeinheiten vom Hindukusch heimgekehrt sind. Trotz des massiven Drucks aus Washington und der unverhohlenen Drohung, militärische und zivile Hilfe in Milliardenhöhe für das islamische Land einzufrieren, ist die Stimmung in Islamabad trotzig. Denn für Pakistan steht viel auf dem Spiel.

"Das wirkliche Problem liegt in Afghanistan und nicht in Pakistan", soll Pakistans Militärchef Kayani hinter verschlossenen Türen im Armeehauptquartier gesagt haben. Pakistans Streitkräfte würden schon morgen eine Großoffensive in Nord-Wasiristan beginnen, wenn ihn jemand überzeugen könne, dass hier die Wurzel des afghanischen Übels liege. Diese Argumentation ist neu. Bislang hieß es stets lapidar, Pakistans Armee operiere bereits am Anschlag ihrer Kapazitäten.

Osten Afghanistans ist für Pakistan Pufferzone

Für Kayani ist Ost-Afghanistan mit den Provinzen Paktia, Paktika und Khost, die an Pakistan angrenzen, eine wichtige Puffer-Region, in der er Einfluss wünscht. Genau dort operieren die Haqqanis. Falls Afghanistan nach Abzug der westlichen Soldaten wieder in einen schmutzigen Bürgerkrieg abgleitet, wie Pakistan vermutet, so sollen die aufständischen Haqqanis, die schon in den 90er Jahren gute Beziehungen zu Islamabad pflegten, in dem Kampf die Interessen Pakistans sichern. Denn Pakistan ist wenig überzeugt davon, dass die neue und unerfahrene afghanische Armee, die gerade mit großem Aufwand von den USA und der Nato aufgebaut wird, in der Lage sein wird, für die Sicherheit im Land zu sorgen.

Und auch in einem anderen Punkt sind die Ansichten von Pakistan und den USA zur Zukunft Afghanistans unvereinbar: Amerika tut alles, um Indien, Pakistans Erzfeind, eine größere Rolle im Nachkriegs-Afghanistan zu geben.

Kürzlich schloss Afghanistans Präsident Karzai bei seinem Besuch in Neu Delhi einen strategischen Vertrag, wonach Indien nun Offiziere der afghanischen Armee trainieren soll. Doch das Letzte, was Pakistan nach dem Abzug des Westens sehen möchte, sind indische Soldaten vor seiner Hintertür in Afghanistan, die Aufgaben der Nato übernehmen. Clinton wird es schwer haben, diese fundamentalen Differenzen zwischen den beiden Ländern irgendwie zu überbrücken. Und Pakistans Armeechef hat bereits provokant erklärt, man werde auch ohne die Finanzspritzen aus Washington überleben.