Johnson und Macron sind so unterschiedlich ähnlich, dass ein Vergleich lohnt.
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Weil Angela Merkel ihre Rolle als Bundeskanzlerin überwiegend nur noch kommentierend interpretiert, überlässt sie die große europäische Bühne vorerst zwei Männern im besten Politikeralter, die sich noch dazu beide für etwas ganz Besonderes halten. Dass beide einander, davon kann man getrost ausgehen, in ehrlicher wechselseitiger Geringschätzung verbunden sind, erhöht den Reiz eines direkten Vergleichs. Zumal sich beide als Retter ihrer aus je unterschiedlichen Gründen in die Enge getriebenen Nationen begreifen.
Nur dass der eine Europa als Hebel zur Selbsterhöhung versteht und der andere das Gleiche über den Umweg der Abgrenzung von der EU versucht. Emmanuel Macron, der von sich gerne in Kategorien eines Jupiters denkende Staatspräsident Frankreichs, ist der eine; Boris Johnson, der von sich womöglich in ähnlichen Kategorien schwärmt, nur dass dies dann alle für einen verschrobenen Witz dieses komischen Briten halten würden, würde er es denn tatsächlich laut sagen, ist der andere.
Johnson hat soeben ein starkes Mandat von den Wählern für sein Brexit-Projekt mit einer vergleichbar kleinen Mehrheit erhalten wie Macron bei seiner Wahl im Frühjahr 2017 zur Erneuerung Frankreichs. In Paris steht dieses nationale Erneuerungsprojekt gerade auf der Kippe. Scheitert Macrons ehrgeiziges Programm einer umfassenden Pensionsreform an der Streikfront der Gewerkschaften, ist seine innenpolitische Reformagenda wohl mausetot.
Der Präsident weiß selbst, was die Uhr geschlagen hat, sollte das Streikchaos die Franzosen über Weihnachten begleiten. Entsprechend versucht er nun eine Quadratur des Kreises, indem er Zugeständnisse im Detail an die Adresse seiner vielen Kritiker und Standfestigkeit im Prinzip in Richtung seiner verbliebenen Anhänger zu kommunizieren versucht. Der Erfolg ist endenwollend.
Gut möglich, dass es dem Solotänzer Macron auch an Mitstreitern und Verstärkern mangelt. Zwar verfügt er über eine deutliche absolute Mehrheit der Abgeordneten im Parlament, doch gewählt wurden diese - im Windschatten der Kür Macrons - direkt entsandten Mandatare von nicht einmal 25 Prozent der Franzosen.
In diesem Mangel an demokratisch legitimierten Mitstreitern liegt ein Grund für die Schwäche Macrons im Ringen mit der noch kleineren Minderheit der gewerkschaftlich organisierten Aktivisten. Boris Johnson sollte sich dennoch nicht zu früh freuen. Er hat die Mühen des politischen Alltags noch vor sich. Die Schwäche des einen und der habituelle Übermut des anderen werden Europa noch lange von seinen drängenden Aufgaben abhalten.