Clubs sind in Wohngegenden ungeliebte Nachbarn - und ihre Betreiber ziehen in der Regel den Kürzeren.
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Berlin/Wien. Als ein Gericht im Juni dieses Jahres die Sperrstunde der Alpendisko Bettelalm auf Mitternacht vorverlegte, war der Schock in Wiens Gastronomieszene hoch. Nicht unbedingt aus Sympathie für die Après-Ski-Discothek im 1. Bezirk, sondern auch im Bewusstsein: Das ist kein Einzelfall, das kann uns alle treffen. Und es sieht ganz danach aus. Die Stadt ist ein sozialer Raum, in dem Bedürfnisse kollidieren und Konflikte entstehen - insbesondere in der Nacht. In Wien haben diese Konflikte schon so manche Bar und die Betreiber der Clubs Market und Morrisson zum Aufgeben gebracht. Wie kann man die Konflikte zwischen Gastronomen, Nachbarn und Behörden frühzeitig angehen, um sie zu entschärfen?
Auf der Konferenz "Stadt nach acht" in Berlin, zu der auch Wiener Journalisten eingeladen waren, haben Experten auf einem Panel darüber diskutiert. "Aus polizeilicher Sicht sind Clubs schwierig, weil sie zentrieren und Gefahrengebiete erzeugen", sagt Wolfgang Pemp, Kriminaldirektor der Stadt Berlin. "Aber letztlich muss man sagen: Konflikte sind nicht kriminell, Lärm ist nicht kriminell." Polizei sei ein Akteur in dem Ganzen, aber die Probleme seien größere. Im Falle vom Münchener Maximiliansplatz habe zum Beispiel ein groß angelegtes Moderationskonzept geholfen, bei dem sich Wirte, Ordnungamt, Anwohner und Polizei an einen Tisch gesetzt hätten.
Dass diese Vorgehensweise funktionieren kann, bestätigt auch Alexandra Heeb vom Polizeidepartment Zürich. Im Partyviertel Langstrasse hätte man im Dialog mit allen Stakeholdern signifikante Verbesserungen erreicht. Mit einer Einschränkung: "Man erreicht damit die Gruppe der Partygäste nicht." Und die würde nun einmal als größtes Problem empfunden. "Aber auch diese Menschen haben berechtige Bedürfnisse, die man respektieren muss", sagt Heeb.
Viele Städte haben gute Erfahrung mit solchen Moderationsverfahren gemacht. Weil sie einerseits helfen, die Probleme im Groben zu erkennen, andererseits sie auch lokalisieren. In einem Fall in Berlin beschwerten sich Anwohner über Flaschen, die Clubgäste angeblich mit vor die Tür nehmen würden. Am Runden Tisch stellte sich dann heraus, dass der Club dieses Bier gar nicht führt. Der Ausgangspunkt des Problems wurde dann an anderer Stelle gefunden. Ole Möller, Clubbetreiber und Vorsitzender des Berliner Vereins Clubkommission, betonte, dass Polizei, Stadt und Anwohner Partner, nicht Gegner der Clubs seien. Moderation würde die Problemlösung von Clubs weg auf eine höhere Ebene heben. "Nicht ‚die Clubs‘ sind schuld" sagt Möller. "Zu Konflikten gehören immer mehrere Seiten."
Verhasster Paragraph
In Wien werden die Probleme ab 2018 wohl nicht kleiner werden. Das absolute Rauchverbot treibt dann Gäste an die frische Luft. Und nach §113 Absatz 5 der Gewerbeordnung haftet der Gastronom für den Lärm dieser Gäste vor der Tür. Dieser unter Clubbetreibern verhasste Absatz findet sich auch weiterhin im Vorschlag zur novellierten Gewerbeordnung.
"Wir haben unsere Bedenken im Begutachtungsverfahren klargemacht und werden weiterhin dafür kämpfen, dass er rauskommt", sagt Peter Dobcak, Obmann der Fachgruppe Gastronomie der Wirtschaftskammer Wien. "Das ist eine Keule, die über uns allen schwebt." Das sieht auch Markus Ornig, Wirtschaftsprecher der Neos Wien so, der bei der Berliner Konferenz anwesend war. "Wir werden ab 2018 eine Eskalation der Situation erleben", prophezeit Ornig. "Die zuständige Stadträtin Renate Brauner steckt leider den Kopf in den Sand und ignoriert hier ein riesiges Konfliktpotenzial." Man müsse frühzeitig handeln und den Dialog und bestenfalls Konsens zwischen Behörden, Clubbetreibern, Gastronomiebetrieben und Anrainern anstoßen, sonst würde es sofort zu einer Klagewelle mit ungewissem Ausgang kommen.
Im Büro der Wirtschaftsstadträtin gibt man an, dass man sich der Situation durchaus bewusst sei. Grundsätzlich sei das aber Sache der Bundesgesetzgebung. Dort sei auch nach Lösungen gesucht worden.
Moderation als Lösung
In Wien wird das in Berlin propagierte Moderationsverfahren vor allem im Bereich der Stadtentwicklung genutzt, weniger im Bereich der Nachbarschaftskonflikte. 2001 gab es allerdings im Zuge eines größeren Lärm-Projekts ein erfolgreiches Moderationsverfahren am Schillingplatz in Neubau. Doch gibt es auch im Bereich des Moderationsverfahrens einige Hürden.
Erstens müssen alle Beteiligten Bereitschaft zeigen. In vielen Fällen geht die Beschwerdewelle von einem einzelnen Anwohner aus, häufig über Monate und Jahre hinweg. Alle Fachleute betonen deshalb, dass moderative Verfahren am besten schon in der Planungsphase anzusetzen sind. Seien die Fronten einmal verhärtet, sei ein Dialog schwierig. Darüber hinaus weiß man bei informellen Verfahren oft gar nicht, wer dafür zuständig ist. Das Moderationsverfahren Schillingplatz ging von der MA22 (Umweltschutz) aus.
Aktuell sei in diese Richtung nichts geplant, sagt eine Sprecherin der zuständigen Stadträtin Ulrike Sima. In der Inneren Stadt ist für das Ruprechtsviertel, dem sogenannten "Bermudadreieck", ein Moderationsverfahren in Planung, das vom Bezirk initiiert wurde. "Das ist für 2017 geplant und budgetiert", wie ein Sprecher von Markus Figl, Bezirksvorsteher der Inneren Stadt, erklärt. Es sei aber möglich, dass es sich aufgrund des Umbaus des angrenzenden Schwedenplatzes noch einmal verschiebe. Moderationsverfahren eignen sich in der Regel vor allem für "Partymeilen", also Gegenden, wo sich Nachtleben zentriert und viele Gastronomen auf viele Anwohner treffen. Je früher, umso besser.