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CO2-Vorgaben sind Industrie zu hart

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Wirtschaft

Eder fürchtet eine "Verschärfung der Klimaziele durch die Hintertür." | Geplante Vorgaben "sind technisch nicht machbar". | Mehrkosten von jährlich mehr als 100 Millionen Euro. | Brüssel. Mit scharfen Worten warnte Voestalpine-Generaldirektor Wolfgang Eder am Mittwoch in Brüssel vor dem Kollaps der Industrie in Europa, weil die EU-Kommission die Klimaschutzgesetze weiter verschärfen will. Stein des Anstoßes ist die anstehende Detailregelung des EU-Emissionshandelssystems (ETS) für die Zeit nach 2013. | Energieeffizienz soll deutlich steigen


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Denn ohne politisches Aufsehen haben die EU-Klimastrategen per Expertenausschuss eine Ausstoßgrenze von höchstens 1,4 Tonnen CO2 pro hergestellter Tonne Stahl festgelegt, darüber hinaus müssten Emissionszertifikate zugekauft werden. Das führe dazu, dass auch die effizientesten und "saubersten" Stahlerzeuger zur Kasse gebeten würden, so Eder. Für die Erreichung des Ziels von 20 Prozent weniger Treibhausgasemissionen bis 2020 sei das überhaupt nicht notwendig.

Kosten werden sich verzehnfachen

Denn weniger als etwa 1,6 Tonnen pro CO2 pro Tonne Stahl zu emittieren, sei "technisch nicht machbar", sagte der Voest-Chef zur "Wiener Zeitung". Etwa in diesem Bereich produziere die Voestalpine derzeit, das sogenannte Linz-Donawitz-Herstellungsverfahren zur Stahlproduktion sei damit voll ausgereizt, hieß es. Die Kosten des ETS würden für den österreichischen Stahlkocher von derzeit rund zehn Millionen Euro pro Jahr auf 120 Millionen ansteigen, sich also mehr als verzehnfachen. Das bedeute einen Anteil von bis zu zehn Prozent des Stahlpreises bei einer derzeitigen Marge von fünf bis sechs Prozent, erklärte Eder. Diese "Verschärfung der Klimaschutzziele durch die Hintertür" wäre "ein enormer Wettbewerbsnachteil gegenüber Stahlproduzenten von außerhalb der EU."

Abwanderung und Jobverluste drohen

Sollten die Kommissionspläne durchgehen, prognostiziert der Voest-Chef die Abwanderung der Industrie in andere Weltregionen, den Verlust von dutzenden Millionen Arbeitsplätzen für hochqualifizierte Mitarbeiter, soziale Unruhen, das Ende des hohen Lebensstandards in der EU und den "Rückfall auf das Niveau von Entwicklungsländern". Europa nehme sich damit die Chance, jemals wieder aus der Krise zu kommen. Schließlich habe die gegenwärtige Entwicklung gezeigt, dass sich Länder mit einer gesunden Industrie wie Deutschland und Österreich am besten erholt haben.

Geht es nach der EU, dann sollen die Schlote der Fabriken weniger CO2 in die Luft blasen. Foto: fotolia

Weil die Industriebetriebe in Ländern außerhalb der EU keine oder zumindest viel geringere Umweltauflagen erfüllen müssen, sei auch ein steiler Anstieg der globalen Treibhausgasemissionen zu erwarten. An diesen betrage der Anteil der Nicht-EU-Industrien bereits heute 86 Prozent.

Um diese Horrorszenarien noch anzuhalten, sind jetzt EU-Parlament und Mitgliedsstaaten gefragt. Sie können die neuen Grenzwerte während einer Einspruchsfrist bis 7. April noch blockieren. Die Abgeordneten des Umweltausschusses beschäftigen sich nächste Woche mit den vorgeschlagenen Detailregelungen. Es handelt sich dabei um sogenannte Durchführungsverordnungen für das neue ETS ab 2013, die im "Komitologieverfahren" auf technischer Ebene verabschiedet werden.

In der EU-Kommission selbst gibt man sich ob der Vorwürfe Eders ungerührt: Die Entscheidung im Klimaschutzkomitee sei mit einer Mehrheit der Mitglieder getroffen worden, sagte ein Sprecher von Klimaschutzkommissarin Connie Heedegard. Einen so hohen Wert wie die von der Voestalpine kolportierten 1,6 Tonnen CO2 für eine Tonne Stahl habe niemand auch nur vorgeschlagen - weder ein Experte eines EU-Mitgliedslandes noch des EU-Stahlproduzentenverbands Eurofer. Der Stahlsektor komme in der vorliegenden Durchführungsverordnung im Übrigen sehr gut weg, was den Anteil der freien Zuteilung an Emissionszertifikaten betreffe.

Außerhalb der Klimaschutzabteilung schien es mehr Verständnis für die Kritik zu geben: Notorisch niedrige Grenzwerte seien wohl mit dem unbeugbaren Innovationsglauben innerhalb der Kommission zu begründen, hieß es in Kommissionskreisen. Manche Strategen wollten nicht glauben, dass gewisse technische Prozesse womöglich nicht mehr in Richtung Reduktion der CO2-Emissionen optimiert werden könnten.