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Coaches für arbeitslose Journalisten

Von Petra Tempfer

Wirtschaft
Die Verbreitung von Neuigkeiten wandelt sich - Zeitungen werden zurückgedrängt.
© Fotolia/Vectorwonderland

Die Arbeitslosigkeit in der Medienbranche ist unverhältnismäßig stark gestiegen. Nächste Woche startet ein vom Arbeitsmarktservice Wien hauptfinanziertes Projekt für Betroffene.


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Wien. Im Bus, in der U-Bahn, auf dem Weg zur Arbeit und zurück: Nachrichten aus aller Welt kann man überall lesen, mittlerweile allerdings ohne einen Stapel Zeitungen unter dem Arm. Und ohne dafür zu bezahlen. Die Veränderungen in der Medienlandschaft weg vom Printprodukt hin zu Online-Medien hat zu einem massiven Abbau in den Redaktionen geführt. Die Arbeitslosigkeit unter Journalisten stieg unverhältnismäßig stark an. Der Wiedereinstieg gestaltet sich schwierig, weil es die alten Jobs zum Teil gar nicht mehr gibt, beziehungsweise viele schon vorher prekär beschäftigt waren.

"Im Vorjahr waren im Monatsdurchschnitt 852 Journalisten arbeitslos gemeldet, 105 von diesen waren in Schulung", sagte Johannes Kopf, Vorstand des Arbeitsmarktservice (AMS), am Dienstag. Die Zahl der arbeitslosen Journalisten stieg damit in zwei Jahren um rund 9,7 Prozent an. Zum Vergleich: Die Arbeitslosenzahlen insgesamt haben sich laut AMS von 2014 bis 2016 um durchschnittlich 7,6 Prozent erhöht. Aktuell hauptberuflich im Journalismus tätig sind rund 7000 Personen.

Großteil wird vermutlich in andere Branche wechseln

Um diese wachsende Gruppe der Betroffenen in der sich wandelnden Medienbranche aufzufangen, haben Wirtschaftskammer (WKO), Industriellenvereinigung (IV), Presseclub Concordia und der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) den Verein zur Förderung der beruflichen Fortbildung von JournalistInnen und das Projekt "Ajour - Arbeit für JournalistInnen" ins Leben gerufen. Dieses wird primär vom AMS finanziert. Nächste Woche sollen die ersten Beratungsgespräche starten, hieß es am Dienstag bei dessen Präsentation. Vorerst sei es als dreijähriges Pilotprojekt angelegt. Bei den Gesprächen werde grundsätzlich geklärt, ob die Betroffenen in das vom AMS Wien geförderte Beratungs- und Betreuungsprojekt übernommen werden wollen und können - 60 Prozent aller hauptberuflich in Österreich tätigen Journalisten arbeiten in Wien und Umgebung. Dabei soll nicht nur bereits arbeitslosen, sondern auch von Arbeitslosigkeit bedrohten Journalisten geholfen werden.

Im ersten Jahr will man auf rund 100 erste Beratungsgespräche kommen, sagte Lydia Ninz, Geschäftsführerin der mit dem Projekt namensgleichen, gemeinnützigen GmbH "Ajour - Arbeit für JournalistInnen", die Vertragspartnerin des AMS ist. Vorerst seien sieben freiberufliche Berater im Einsatz, so Ninz, die Gespräche finden im Presseclub Concordia statt. Der berufliche Werdegang aller Journalisten, die am anschließenden Coaching-Prozess teilgenommen haben, soll drei Monate nach deren Ausscheiden evaluiert werden.

Ninz geht allerdings davon aus, dass nur ein Drittel der Betroffenen wieder im mediennahen Bereich Fuß fassen können wird. Ein weiteres Drittel könnte in die Kommunikationsbranche wechseln und das letzte Drittel sich komplett neu orientieren beziehungsweise in den vor dem Journalismus erlernten Quellberuf zurückkehren. Die Idee dahinter sei freilich auch, so Ninz, dass die Initiatoren WKO, IV, Presseclub Concordia und VÖZ als Kenner der Branche das nötige Netzwerk bieten.

Die Finanzierung teilen sich das AMS Wien und der Verein zur Förderung der beruflichen Fortbildung von JournalistInnen im Verhältnis 80 zu 20. In Zahlen bedeutet das laut AMS-Vorstand Kopf: Die Zeit von Ende April 2017 bis Ende April 2018 ist mit 176.000 Euro budgetiert, von denen 34.000 vom Verein und 142.000 vom AMS kommen.

Dass der Großteil der heute arbeitsuchenden Journalisten vermutlich nicht mehr in diesen Beruf zurückkehren wird, sei freilich nicht im Sinne der Journalistengewerkschaft in der GPA-djp, sagt Vorsitzender Franz C. Bauer zur "Wiener Zeitung". Ziel sei, so viele wie möglich in der Branche zu halten. Bevor aber jemand ein möglicherweise unterbezahltes Prekariat annehme, sei es schon sinnvoller, in eine andere Branche zu wechseln.

"Qualität gratis anzubieten,ist keine Strategie"

Dass die Zahl der arbeitslosen Journalisten weiter steigen wird, glaubt Bauer allerdings nicht. Der Höhepunkt sei erreicht. Beim derzeitigen Maß an Arbeitsverdichtung seien weitere Kündigungen nicht möglich - nicht zuletzt aufgrund des Arbeitszeitgesetzes.

Gleichzeitig bewege sich der Medienkonsum durch die zunehmende Digitalisierung unaufhörlich weiter in Richtung Online. "Journalistische Angebote zu verschenken, ist sicherlich eines der Hauptprobleme in dem Bereich", sagt Bauer.

Um diese Entwicklung zu stoppen, müsste vor allem eins passieren: Die gesamte Branche müsste sich laut Bauer gemeinsam anstrengen und in einer konzertierten Aktion nur noch Online-Beiträge anbieten, für die die Konsumenten auch zahlen müssen. Qualität gratis anzubieten, sei keine unternehmerische Strategie, so Bauer. Das zeichne vielmehr den Weg in die Katastrophe vor.

Nähere Infos zu "Ajour - Arbeit für JournalistInnen" und Kontaktdaten für Erstgespräche unter www.ajour.or.at