Nach dem Wechsel an Chinas Parteispitze wird eine transparente und glaubwürdige Führungskultur erwartet.
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In China findet ein Generationenwechsel statt, die sogenannte "fünfte Führungsgeneration" übernimmt. Wäre die Volksrepublik kein kommunistischer Staat, sondern ein privater Konzern, so würde selbstverständlich ein Coach engagiert. Dieser würde mit Empathie, Wertschätzung und einem distanzierten Metablick den Führungswechsel im bevölkerungsreichsten Staat unseres Planeten begleiten.
Im vergangenen Jahrhundert hat sich die Führungskultur in China laufend gewandelt: bis 1911 Kaiser, dann Hierarchieverlust und Chaos, ab 1949 Mao Zedong als unumstrittener "Großer Vorsitzender". Seit den späten 1970ern gibt Deng Xiaoping mit "Reform und Öffnung" die Grundstrategie vor: So entwickelte sich ein erniedrigter Feudalstaat zunehmend modern, technologisiert und weltoffen. Kurzum, die bisherigen Führungskräfte haben gute Rahmenbedingungen geschaffen. Doch es ist ihnen erst einmal gelungen, die Führungspositionen reibungslos zu übergeben - vor zehn Jahren.
Weil man in China ja keinen Einfluss auf Personalentscheidungen hat, können Konzernmitglieder (hier: Staatsbürger) und Geschäftspartner (also andere Regierungen und internationale Unternehmen) auch diesmal lediglich abwarten, was an der Spitze passiert.
Zudem treten Störungen auf: Die Rückenschmerzen des wahrscheinlich künftigen Vorsitzenden Xi Jinping sind ein beliebtes Thema im Flurfunk. Und beim einstigen Hoffnungsträger Bo Xilai wären im Unternehmenssprech entweder die Begriffe "Mobbing" oder "gravierendes Fehlverhalten" angemessen.
Die Verantwortlichen spüren, wie sehr die Menschen in China verunsichert sind: Die Konjunktur schwächelt, die Inflation steigt, das Sozial- und Gesundheitssystem hinkt.
Nicht nur Korruption verursacht Ärger und Schaden, sondern selbst in der Partei wirken unterschiedliche Strömungen mit Zentrifugalkraft. Daher versuchen die Führungspersonen Stabilität zu garantieren und arbeiten für eine "harmonische Gesellschaft".
In der Vernetzung mit externen Akteuren haben die bisherigen Entscheidungsträger Meilensteine gesetzt: einst isoliert, heute ein wichtiger Akteur im weltweiten Finanz-, Wirtschafts- und Politikgeschäft.
Ausländische Regierungen wollen, dass China als Volkswirtschaft funktioniert, dass es in der weltweiten Finanzkrise stabilisierend wirkt und bei politischen Konflikten Lösungen ermöglicht. Doch China wird nicht nur mit Respekt, sondern auch mit Angst und großer Skepsis betrachtet.
Woran also würde ein Coach mit der neuen chinesischen Führungsgeneration arbeiten?
Sowohl die Menschen in China als auch internationale Unternehmen und ausländische Regierungen erwarten Stabilität und Verlässlichkeit. Die Volksrepublik China will ihre legitimen Interessen konsequent und nachhaltig vertreten. Formale Macht wird dann zu lebendiger Führungskraft, wenn die neue chinesische Führungsgeneration nach innen wie nach außen glaubwürdig auftritt und transparent kommuniziert.