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Code ,Demokratie'

Von Ritt Goldstein

Politik

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Es ist eine "neue Welt mit Regierungsumstürzen ganz ohne Spione", deckte die "Washington Post" im Jahr 1991 auf. Sie bezog sich dabei auf die Zunahme von US-Demokratieprogrammen. Der Coup in Venezuela veranschaulicht das deutlich: Von der USA flossen 877.000 Dollar zu den Gegnern von Präsident Chavez und in den Monaten direkt vor dem Sturz wurden die Mittel vervierfacht. Wie der Artikel in der "Washington Post" anmerkt, haben US-Demokratieunterstützer "in aller Öffentlichkeit das gemacht, was die CIA früher im Verborgenen gemacht hat - (lokalen) Demokratiegruppen Geld und moralische Unterstützung zur Verfügung stellen . . . in Vorbereitung eines Umsturzes". Führend in dieser Taktik ist die Nationale Stiftung für Demokratie (NED).

Obwohl sie unter dem Deckmantel einer "privaten, nicht-Regierungsorganisation" arbeitet, wird die NED beinahe zur Gänze durch die US-Regierung finanziert, was ihre wahre Aufgabe widerspiegelt. Offiziell wurde die NED 1983 gegründet, um "demokratische Institutionen auf der ganzen Welt zu stärken". Und obwohl sie genau das sehr oft tut, wird ihr doch vorgeworfen, dass sie es nicht tut. Von William Blum, einem früheren hochrangigen Mitarbeiter des US-Außenministeriums, wird die NED als "Meisterwerk der Politik, von Werbung und Zynismus" beschrieben.

Es war die NED, die die 877.000 Dollar im für die Ölreserven wichtigen Venezuela zur Verfügung stellte. Es ist auch die NED, die beschuldigt wird, Wahlen in Nikaragua (1990) und in der Mongolei (1996) manipuliert zu haben. Des weiteren soll sie in den Sturz von demokratisch gewählten Staatsoberhäuptern in Bulgarien (1990) und Albanien (1991 bis 1992) involviert gewesen sein.

Barbara Conry vom Cato Institut in Washington D. C. (eine der wichtigsten Denkfabriken für alle Kritiker staatlicher Regulierungsaktivitäten in den USA, Anm.) verurteilt die NED wegen der Finanzierung "von gewissen Interessensvertretungen, um ordnungsgemäß gewählte Regierungen befreundeter Länder zu schikanieren, sich in Wahlen im Ausland einzumischen und die Korruption von demokratischen Bewegungen voranzutreiben". Andere erheben noch schlimmere Vorwürfe und behaupten die Verwicklung der NED in die "Schmutzigen Kriege" in den 80ern.

Im Jahr 1982 erteilte Ronald Reagan Walt Raymond vom CIA die Aufgabe, das "Projekt Demokratie" zu organisieren. Die Kriege in Zentralamerika zur "Unterstützung der Demokratie" begannen kurz danach.

Einem Artikel auf der Titelseite einer "New York Times" im Jahr 1987 zufolge zog das "Projekt Demokratie" die Fäden zu einem "gut getarnten Programm, das im Weißen Haus vor mindestens vier Jahren konzipiert wurde, um verdeckte außenpolitische Aktionen durchzuführen". Der Artikel nannte die NED als den "öffentlichen Arm" der Operation. Der Direktor der NED bestritt daraufhin jegliche Beteiligung seiner Organisation.

Diese Ereignisse setzten sich mit der Iran Contra Affäre fort, und heute sitzen einige der damaligen Schlüsselfiguren in der Regierung von George W. Bush: Unter anderem Otto Reich und Elliot Abrams. Quellen der Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS) nennen Reich und Abrams als wichtige Werkzeuge im jüngsten Zwischenfall in Venezuela.

Die NED verteilt ihre Geldmittel hauptsächlich über vier Begünstigte: Das Amerikanische Zentrum für Internationale Arbeitersolidarität (ACILS), das Zentrum für Internationale Privatunternehmen (CIPE), das Internationale Republikanische Institut (IRI) und das Nationale Demokratische Institut für Internationale Angelegenheiten (NDI).

In Venezuela erhielt der "New York Times" zufolge die ACILS 154.377 Dollar, "vermutlich um die Hauptgewerkschaft in Venezuela in ihrem Kampf für die Rechte der Arbeiter zu unterstützen". Aber die Gewerkschaft, die CTV, streikte gegen Chavez, und der Vorsitzende der Gewerkschaft war ein enger Verbündeter von Pedro Carmona, der kurzfristig die Macht übernahm.

Der Präsident des IRI bejubelte den Umsturz und meinte "das Volk von Venezuela hat sich erhoben, um die Demokratie zu verteidigen". Das IRI hat auch für die Gegner von Chavez Besuche in Washington organisiert, um mit Beratern von Präsident Bush zusammenzutreffen.

Während der Kampf für die Demokratie - das Mandat dafür kommt vom US-Kongress - ein gutes Aushängeschild für die NED ist, dient die NED eigentlich nur US-Interessen.

Das Außenministerium hat bereits mehrmals Geldspenden der NED überprüft. In Wirklichkeit hat Demokratieaufbau immer die Favorisierung einer politischen Gruppierung gegenüber einer anderen bedeutet. Wobei die unterstützte Gruppe immer die war, die die US-Interessen vertrat.

So geschehen auch in Fidschi kurz vor dem Coup 1987. Das Ausmaß der Beteiligung der USA an diesem Coup ist noch immer nicht ganz klar. Der Umsturz ereignete sich jedoch kurz nachdem Fidschi eine "atomfreie Zone" rund um die Inseln deklariert hatte, was zur Folge hatte, dass US-Kriegsschiffe Häfen auf Fidschi nicht mehr anlaufen konnten. Ähnlich wie bei Venezuela bestritt auch hier die USA jegliche Beteiligung am Umsturz, aber ein Sprecher aus dem Pentagon freute sich: "Wir sind irgendwie froh . . . plötzlich konnten unsere Schiffe nicht mehr nach Fidschi und jetzt können sie es".

Doch das in Amerika hoch angesehene Institut für Politische Studien warnt: "Demokratie muss um ihrer selbst Willen vorangetrieben werden und darf nicht nur als Instrument dienen, um die Sicherheit der wirtschaftlichen Interessen der USA zu erhöhen".

Übersetzung: Barbara Ottawa