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Cold Case Kampusch soll wieder aufgewärmt werden

Von Katharina Schmidt

Politik

Parlamentarier: Staatsanwaltschaft und Polizei haben nicht sorgfältig ermittelt.


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Wien. Die Worte der Parlamentarier könnten deutlicher kaum sein. Sie sprechen von einer "bedenklichen Vernachlässigung von Erkenntnissen", einem "besonders schweren Fehler", einer "auffallenden Untätigkeit der Staatsanwalt". Am Donnerstag hat der Unterausschuss des Innenausschusses seinen Abschlussbericht zum Fall Natascha Kampusch vorgelegt. Das einstimmig beschlossene Ergebnis: Dem Innen- und dem Justizressort wird empfohlen, den Fall evaluieren zu lassen - und zwar durch Cold-Case-Spezialisten des FBI oder des deutschen Bundeskriminalamts. "Am liebsten wäre mir, wenn es beide untersuchen würden", sagte Ausschuss-Chef Werner Amon (ÖVP).

Der Unterausschuss habe sich mit den Fragen beschäftigt, ob Staatsanwaltschaft und Polizei ihrer Aufgabe mit der notwendigen Sorgfalt und Professionalität nachgekommen sind und ob Ungereimtheiten, die im Laufe der Ermittlungen aufkamen, ausreichend nachgegangen wurde. Beide Fragen konnten nur mit "Nein" beantwortet werden.

Kampusch hätte früher frei sein können

So sei auffällig, dass besonders wenige Vernehmungen durchgeführt wurden, abermals bekrittelt wurde, dass dem Hinweis des Polizeihundeführers auf den Täter Wolfgang Priklopil im Jahr 1998 nicht nachgegangen wurde. "Das Opfer hätte innerhalb eines Monats befreit werden können", sagte Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ). Offensichtliche Fehler habe es auch gegeben, als der Fall 2002 zur Cold-Case-Evaluierung an die Landeskriminalabteilung Burgenland übergeben wurde. "Damals hat es alles gegeben, nur keine Evaluierung", meinte Otto Pendl (SPÖ). Wie der Grüne Peter Pilz ist er sicher, dass Kampusch 2002, vier Jahre vor ihrer Flucht, hätte freikommen können.

Die Frage, ob Priklopil als Einzeltäter gehandelt hat, habe man nicht abschließend klären können, so Amon. Er glaubt, dass die Staatsanwaltschaft hier von sich aus noch einmal tätig wird. Denn in dem Bericht wird festgestellt, dass die Zeugin Ishtar A., die bei der Entführung Kampuschs am 2. März 1998, einen zweiten Mann gesehen haben will, "von den einvernehmenden Beamten unter Druck gesetzt worden sei". Laut Amon muss der Staatsanwalt jetzt wegen Nötigung ermitteln - sonst werde er eine Anzeige erstatten.

Die Abgeordneten sind guter Dinge, dass Innen- und Justizressort der Aufforderung nach einer neuen Evaluierung nachkommen werden. In den Ministerbüros gibt man sich dazu bedeckt. Man wolle sich vor einer Stellungnahme den Bericht anschauen, heißt es dort unisono auf Anfrage.

Weniger wortkarg ist Gerhard Jarosch, Präsident der Vereinigung der Staatsanwälte. Die Abgeordneten haben nämlich in ihrem Abschlussbericht gefordert, dass die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden in strittigen Verfahren von einem ständigen Unterausschuss des Innenausschusses überprüft werden soll. Freilich soll es da ausschließlich um abgeschlossene Verfahren gehen. Laut Amon wäre dazu eine Verfassungsänderung notwendig.

Jarosch zeigt sich dazu gesprächsbereit. Er gab nur zu bedenken, dass die weisungsgebundenen Staatsanwälte ohnehin bereits der Kontrolle durch Ministerin, Rechnungshof, Volksanwaltschaft und durch die Parteien im Gerichtsverfahren unterlägen. "Da stellt sich dann schon die Frage, wie viel Kontrolle ein System verträgt", meinte Jarosch.