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Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel, das sich "Occupy"-Aktivisten und Polizei derzeit überall in den USA liefern. Die Behörden ließen im November alle großen Protest-Camps von Los Angeles bis New York räumen, die Zustände seien zu unsicher und unhygienisch, hieß es. Doch die jugendlichen Aktivisten denken nicht ans Aufgeben, im Gegenteil. "Re-Occupy" lautet jetzt das Schlagwort, aus einem Park vertrieben wird kurzfristig ein Platz im Stadtzentrum besetzt. Mit zunehmender Kälte fallen unterschiedliche Gebäude in die Hände der Demonstranten, zuletzt etwa ein leerstehendes Kaufhaus in Seattle.
Die anrückende Polizei wird zuerst ausgepfiffen, dann erfolgt mehr oder weniger rasch die Räumung mit Schlagstöcken und Pfefferspray. Die Vertriebenen, die nicht festgenommen worden sind, sammeln sich einige Blocks weiter, protestieren mit Sit-ins vor den geräumten Häusern und rufen via Facebook zu neuen Aktionen auf. "Occupy Wall Street" profiliert sich dabei immer deutlicher als eine Art Stadtguerilla, die mit friedlichen Mitteln kämpft, öffentlichen Raum für sich beansprucht, zu unorthodoxen Methoden greift und dabei fallweise erstaunliche Kreativität an den Tag legt. So ist "Occupy Melbourne" dazu übergegangen, die verdutzte Polizei zu narren: Protest-Zelte in australischen Parks bekommen bei Herannahen der Beamten Arme und Beine und laufen davon.
Auch das Machtzentrum Washington bleibt nicht verschont von "Hit and Run"-Aktionen der Unzufriedenen. Die Bewegung versteht sich als Vertretung jener 99 Prozent, die durch die Mächtigen ausgebeutet werden. Dementsprechend wollte sie am Dienstag die Büros von 99 Kongress-Mitgliedern besetzen. Das Protestbündnis nahm die Prachtstraße "The Mall" in Besitz und errichtete dort Zelte, auf der Freedom Plaza finden Konzerte statt. Am Donnerstag wollen die Aktivisten mit Geistlichen verschiedener Konfessionen beten. Das Arbeitslosenbündnis American Dream Movement führt die Aktion in Washington an, etliche Gewerkschaften unterstützen die Proteste.
Die Befürchtung - oder Hoffnung -, die "Occupy"-Bewegung würde den Winter nicht überleben, scheint sich nicht zu bewahrheiten. Für Samstag ist der zweite globale Aktionstag geplant. Der erste fand am 15. Oktober statt, damals gingen weltweit Hunderttausende auf die Straßen. Kommende Woche wollen Aktivisten sämtliche Verladehäfen an der US-Westküste blockieren. Vorbild ist die erfolgreiche Blockade des Hafens von Oakland am 2. November durch 50.000 Menschen.
Noch ist nicht klar, welche Bedeutung die Protestbewegung erlangen kann. Klar ist mittlerweile, dass in den kommenden Monaten mit ihr zu rechnen sein wird.