Der Ölpreis hat sich von seinem Absturz erholt und liegt wieder bei knapp 70 Dollar. Viel weiter dürfte es aber nicht nach oben gehen, denn in den USA sorgt die Fracking-Industrie für neue Förderrekorde.
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Washington. Der Schulterschluss war schwierig, doch aus Sicht der Opec-Staaten hat sich die Mühe ohne Frage ausgezahlt. Denn seit die Staaten des Öl-Kartells gemeinsam mit anderen wichtigen Förderländern wie Russland Ende 2016 eine Kürzung der Produktionsquote beschlossen haben, hat sich die Lage am globalen Ölmarkt deutlich stabilisiert. Heute kostet ein Barrel (159 Liter) der richtungsweisenden Nordsee-Sorte Brent wieder knapp 70 Dollar und damit fast doppelt so viel wie am Höhepunkt des Preisverfalls Mitte des Jahres 2015.
Dass die Opec-Staaten, die infolge des Ölpreisverfalls mit teils gewaltigen Löchern in den Staatskassen zu kämpfen hatten, die Förderbremse nun bis Ende 2018 verlängern wollen und auch darüber hinaus eine enge Abstimmung anstreben, kommt daher wenig überraschend. Doch einen ähnlich starken Ölpreis-Anstieg wie in den vergangenen Monaten dürfte es auf absehbare Zeit nicht geben.
Schuld daran ist vor allem die US-Fracking-Industrie, die schon in den Jahren 2013 und 2014 maßgeblich zu jenem Überangebot beigetragen hatte, das dann für den kapitalen Absturz des Ölpreises verantwortlich war. Denn ab einem Preis von 55 bis 60 Dollar rechnet sich die Förderung von Schieferöl, bei der Gesteinsschichten mit hohem Druck aufgesprengt werden, für die meisten Unternehmen wieder. Und im Gegensatz zur traditionellen Ölindustrie, die bei der Errichtung von großen Bohrinseln riesige Mengen an Kapital und jahrelange Planungen benötigt, sind die Fracker ausgesprochen wendig und flexibel. Neue Bohrlöcher können mittlerweile in weniger als eine Woche angelegt werden und benötigen nur eine vergleichsweise kleine Mannschaft vor Ort. Dank des zunehmenden Einsatzes von High-Tech wie hochspezialisierten Sensoren konnten zudem die Kosten deutlich gedrückt werden, heute kostet die Errichtung eines Bohrloches um bis zu 40 Prozent weniger als noch vor zwei Jahren. "Wir erleben ständig neue Verbesserung bei der Bohrgeschwindigkeit und der Effizienz", sagt Mathias Schlecht, Vize-Präsident für Technologie beim US-Ölfeld-Ausrüster Baker Hughes.
Bald die globale Nummer zwei
Dass die Förderung in den Vereinigten Staaten schon jetzt wieder auf Hochtouren läuft, belegen auch die aktuellen Zahlen, die Baker Hughes zusammengetragen hat. So ist die Zahl der aktiven Bohrlöcher seit dem vergangenen Jahr um fast 50 Prozent auf 747 angestiegen. Und das dürfte noch lange nicht das Ende gewesen sein. So geht die US-Regierung davon aus, dass bereits in den kommenden Tagen oder Wochen ein seit den 1970 Jahren bestehender Rekord fallen wird und die Vereinigten Staaten dann erstmals mehr als 10 Millionen Barrel Öl pro Tag produzieren. Damit würden die USA Saudi-Arabien überholen und zum zweitgrößten Ölförderer der Welt nach Russland aufsteigen.
Eine neue Goldgräberstimmung ist allerdings nicht nur bei den US-Frackern entfacht worden. Auch die großen Multis wie Exxon und Chevron, die in den vergangenen Jahren stark gelitten hatten, könnten schon bald wieder deutlich mehr Öl aus dem Boden pumpen. Denn die Regierung von US-Präsident Donald Trump will fast sämtliche Küsten für die Öl- und Gasförderung freigeben und damit eine 180-Grad-Wende zur Politik von Trumps Vorgänger Barack Obama vollziehen. Dieser hatte wegen der Ölpest im Golf von Mexiko nach der Explosion der Bohrinsel "Deepwater Horizon" 94 Prozent des sogenannten äußeren Kontinentalsockels für die Rohstoff-Förderung gesperrt. Die Analysten des Research-Hauses Bernstein sehen das Jahr 2018 daher schon als "Glücksjahr" für die Branche.
Geopolitik als Risiko
Stark in die Höhe dürften den Ölpreis in absehbarer Zukunft daher allenfalls geopolitische Risiken treiben. So sind laut der Internationalen Energieagentur (IEA) vor allem auch die Produktionsrückgänge im krisengeschüttelten Venezuela dafür verantwortlich gewesen, dass der Ölpreis im Jänner bis auf 70 Dollar gestiegen ist. Angesichts der hohen Staatsschulden und der desolaten Lage der Ölinfrastruktur könnten die Rückgänge laut Einschätzung der IEA dieses Jahr sogar noch deutlicher ausfallen.
Auch nach den jüngsten Unruhen im Iran mit mindestens 21 toten Demonstranten hat der Ölpreis unmittelbar angezogen, da viele Investoren neben einem Ausfall der iranischen Exporte vor allem auch Auswirkungen auf die Opec-Förderbremse befürchtet hatten. Denn innerhalb des Kartells bilden der Iran und Saudi-Arabien lediglich eine Zweckgemeinschaft. Ansonsten sind die beiden Staaten scharfe Gegenspieler im Kampf um die Vormachtstellung im Nahen Osten.