Eines schätzen Anleger ganz und gar nicht: Unsicherheit. Das hat sich gezeigt, bevor der Euro-Rettungsschirm aufgespannt wurde, das zeigt sich auch jetzt wieder, wo die Debatte darüber wogt, wie die Eurozone ihr eigenes Haus und die Märkte künftig besser im Griff haben will. | Der überraschende deutsche Vorstoß, Aktien-Leerverkäufe zu verbieten, steigert die Befürchtung der Investoren, die staatliche Regulierungswut könnte allzu weit reichen und führte folgerichtig zu einem Abrutschen der Börsekurse.
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Die Entscheidungsträger der Eurozone dürfen sich davon nicht beeinflussen lassen: Von den Aktienmärkten werden sie keinen Beifall erwarten können, wenn es darum geht, die künftigen Spielregeln festzulegen. Die Börsen sind ebenso wie der (bis vor kurzem) rasch sinkende Eurokurs nur Symptome der Schuldenkrise und Indikatoren eines schwindenden Anlegervertrauens, aber nicht Auslöser der Krise.
Haben nun bisher die Märkte die Politik vor sich her getrieben (Stichwort Euro-Rettungsschirm), oder ist die Politik dabei, die Oberhand zurückzugewinnen? Die Antwort auf diese Fragen ist höchst ideologisch besetzt - und hängt überdies noch davon ab, ob der Befragte den Wunsch oder die Wirklichkeit beschreibt.
Die pragmatische Antwort lautet: Es spielt keine Rolle; was letztlich zählt, ist das Ergebnis. Denn die Herausforderungen sind groß genug: Es geht darum, das Fundament der Eurozone so zu verstärken, dass diese künftigen Stürmen besser standhält. Und es geht darum, künftige Krisen soweit einzudämmen, dass dem weiterhin rekonvaleszenten Finanzsystem und mit ihm der Weltwirtschaft nicht der Todesstoß versetzt wird.
Es mag im Einzelfall zwar länger gedauert haben, aber eines hat die Krise immerhin schon bewirkt: Die politischen Entscheidungsträger waren genötigt, dieser Bezeichnung gerecht zu werden. Am augenfälligsten ist das Beispiel der deutschen Bundeskanzlerin, der bis dahin vorgeworfen wurde, nur zu moderieren, aber klaren Entschlüssen aus dem Weg zu gehen. Bei der Bewältigung der akuten Krise des Euro war diese Strategie zum Scheitern verdammt: Merkel war letztlich genötigt, klar Position zu beziehen.
Ein englisches Sprichwort sagt: "Never waste a good crisis." Der beste Zeitpunkt für große Reformen ist immer dann, wenn die bisherigen Gewissheiten erschüttert wurden. So besteht auch jetzt die Hoffnung, dass der Gestaltungsanspruch der Politik ein Comeback feiert. Für die Weiterentwicklung der Eurozone hat diese Krise bereits jetzt mehr geleistet, als Beobachter noch vor wenigen Wochen für möglich gehalten hätten.
So, wie die Debatte im Moment verläuft, besteht freilich immer noch die Gefahr, dass die wichtigsten Ziele - Finanzmarktregulierung, Reform der Eurozone, Krisenprävention - aufgrund von nationalstaatlichen Eigeninteressen verfehlt werden. Dazu ist diese Krise zu schade.
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