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Computer statt Lochkarten: US-Wahlpraxis wird reformiert

Von Daniel Jahn

Politik

Washington - Ritzy Mekler stand vor zwei Jahren im Wahlverzeichnis von St. Louis. Das hätte nicht passieren dürfen. Ritzy Mekler ist ein Hund. Durch das Chaos bei der Präsidentenwahl ist der Spaniel aus Missouri überregional bekannt geworden. Als warnendes Beispiel wird er genannt, wenn es darum geht, die Wahlprozeduren in den USA zu modernisieren. Der Kongress beschloss jetzt ein Gesetz, das künftig verhindern soll, dass Hunde wählen dürfen, während wahlberechtigte Bürger "leider draußen bleiben".


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Doch für die Kongress- und Gouverneurswahlen am 5. November kommt die Reform zu spät. Viele fürchten deshalb, dass es wieder drunter und drüber gehen könnte.

Schlampig geführte Verzeichnisse, verwirrende Stimmzettel, antiquierte und defekte Wahlmaschinen, unsauber gestanzte Lochkarten und nervenaufreibende Neuauszählungen, die schließlich vom Obersten Gerichtshof zugunsten von George W. Bush gestoppt wurden - das Wahldesaster vor zwei Jahren, das die vermeintliche Vorbild-Demokratie USA zum Gespött der ganzen Welt machte, soll sich nicht wiederholen. Die nach zweijährigem Tauziehen vom Kongress verabschiedete Reform stellt deshalb bis zu 3,9 Mrd. Dollar (4,01 Mrd. Euro) für eine Generalüberholung der Wahlpraxis in Aussicht.

Computer statt Lochkarten

Einige Kernpunkte der Reform: Lochkarten und mechanische Hebelmaschinen sollen durch Computer ersetzt, Wahlhelfer besser ausgebildet werden; nicht in den Listen erscheinende Bürger dürfen ihre Stimme dennoch auf provisorischen Zetteln abgeben; der Wähler erhält die Möglichkeit, vor Abgabe den Stimmzettel nochmals auf mögliche Fehler zu überprüfen; die Bundesstaaten werden verpflichtet, zentrale Datenbanken mit den registrierten Wählern anzulegen.

"Das Recht auf die Stimmabgabe wird niemals wieder irgendjemandem verweigert", versprach Senator Christopher Dodd aus Connecticut, einer der Architekten des Reformwerks. Er verwies auf Schätzungen, wonach vor zwei Jahren vier bis sechs Millionen Stimmen verloren gingen - entweder, weil die Wähler nicht in den Listen aufschienen und deshalb abgewiesen wurden, oder weil die Stimmen nicht gezählt wurden. Die Reform kommt jedoch zu spät, um bei den anstehenden Zwischenwahlen zu helfen. Ein Teil der Veränderungen muss erst zur nächsten Präsidentenwahl 2004 umgesetzt sein, andere - wie das zentrale Wählerverzeichnis - erst bis 2006.

Die Hauptverantwortung für die Organisation der Wahlen liegt auch nach der Reform weiter bei den Bundesstaaten und Verwaltungsbezirken. Dort wurde in den vergangenen zwei Jahren zwar viel über Reformen diskutiert. Doch nur in den wenigsten Gegenden wurden bisher größere Reformen angepackt. So werden in zwei Wochen erneut in vielen Regionen die Hebelmaschinen und Lochkarten zum Einsatz kommen. Florida, Hauptbühne des Debakels 2000, hat zwar bereits eine umfassende Modernisierung seiner Wahlen eingeleitet - jedoch mit bisher beunruhigenden Resultaten. Die Florida-Vorwahlen im September, die auch wahltechnisch ein Probelauf für den 5. November sein sollten, mündeten vielerorts erneut ins Chaos.

Zwar schafften die Behörden für Millionenbeträge unter anderem so genannte Touch-Screen-Computer an, bei denen durch Berühren des Bildschirms abgestimmt wird. Doch viele Wahlhelfer waren mit der modernen Technik überfordert. In Broward und Miami-Dade konnten viele Wahllokale nicht pünktlich geöffnet werden, weil die Mitarbeiter nicht in der Lage waren, die Maschinen in Gang zu setzen. Auch die Scanner, die anderswo eingesetzt wurden, schufen Probleme, weil Risse im Papier die elektronischen Ablesegeräte durcheinander gebracht hatten.

Für die Wahlen in zwei Wochen verheißt dies nichts Gutes. Doug Chapin, Direktor von electionline.org, einem mit den Wahlreformen befassten Forschungsinstitut, will nicht ausschließen, dass es an einzelnen Orten erneut "Chaos" gibt. Ein allgemeines Schlamassel hält er allerdings für eher unwahrscheinlich - schließlich hätten die Organisatoren und Helfer aus den Erfahrungen lernen müssen, dass sie die Abläufe vorab besser "zwei-, drei- und vierfach kontrollieren".

S E R V I C E -

http://www.electionline.org