Geschäftsführer Erwin Fleischhacker im Interview.
| 100-Prozent-Tochter der Sozialversicherungsträger setzt auf Vereinheitlichung und Kompetenzteams.
| Datenschutz und Zugriffsberechtigung bei 14 Millionen Stammdaten von großer Bedeutung.
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Wien. Investieren - und dabei Millionen sparen. Weil der Hauptverband der Sozialversicherungsträger bereits vor Jahren erkannte, dass eine moderne IT-Verwaltung Gold wert sein kann, wurde die IT-Services der Sozialversicherungen GmbH (ITSV) aus der Taufe gehoben. Mit Schaffung einer modernen IT-Infrastruktur sollte Ordnung in den Wildwuchs der einzelnen Gebietskrankenkassen von Wien bis Vorarlberg Einhalt gebracht - und den Sozialversicherungen Millionen eingesparen werden. Wie sich das Unternehmen dabei schlug, IT-Verwaltung, Datenpflege und Softwareentwicklung unter einen Hut zu bringen, und dabei auch noch Kosten einzusparen, erzählt ITSV-Geschäftsführer Erwin Fleischhacker der "Wiener Zeitung".
Wiener Zeitung Online: Welche Rolle spielt die ITSV?Erwin Fleischhacker: Die ITSV-GmbH wurde 2005 als 100-Prozent-Tochter der österreichischen Sozialversicherung gegründet. Wir sind als klassischer In-House-Provider aufgestellt und decken zwischenzeitlich die gesamte IT-Wertschöpfungskette ab. Demnach sind wir nicht gewinnorientiert, sondern kostendeckend, und erbringen großteils unsere Leistungen nur für unsere Eigentümer.
Ist das Einsparen von Kosten der Hauptauftrag, der Ihnen von den Sozialversicherungen vorgegeben wird?Fleischhacker: Ja, natürlich gibt es auch den Auftrag, Kosteneffekte zu erzielen. Aber es gibt auch Projekte, wo man dies nicht, oder nicht sofort im Fokus haben kann, zum Beispiel wenn es neue gesetzliche Aufträge sind, wie Aufbau einer Pflegegeldinformationsdatenbank oder Einrichtung eines einheitlichen Pensionskontos. In diesen Fällen sind das für uns zusätzliche Aufgaben und verursachen somit Add-on-Kosten.
Wie viele Millionen hat die ITSV zur Konsolidierung der Sozialversicherungen bisher beigetragen?Fleischhacker: Wenn man sich die Gesamtkosten der IT der Sozialversicherung anschaut, so kann man sehen, dass wir bereits seit 2007 laufend Einsparungen erzielen: Vergleicht man die tatsächlichen Istkosten mit den indexierten Kosten Ende 2010 so sind das in Summe ca. 38 Millionen Euro an Einsparungen. Wir glauben, dass sich dieser Trend noch verstärken wird.
Wie gelingt es, in der IT Kosten einzusparen?Fleischhacker: Dazu muss man wissen, dass die IT der Sozialversicherung dezentral organisiert ist. In den jeweiligen Sozialversicherungsträgern, wie beispielsweise den einzelnen Gebietskrankenkassen, gibt es Softwareentwicklungsabteilungen, teilweise auch noch Rechenzentren. Während deren Rechenzentren an uns übertragen werden oder schon bei uns sind, ist die Strategie bei der der Softwareentwicklung, die Abteilungen dezentral zu lassen, aber zu bündeln.
Erwin Fleischhacker: Es gibt gute Entwicklungsmannschaften, die vorher für jeden einzelnen Sozialversicherungsträger das gesamte Spektrum abgedeckt haben. Jetzt sagen wir: Wer das Entwicklungs-Knowhow für ein Thema hat, macht das weiterhin. Aber jetzt für alle Sozialversicherungsträger. Die einzelnen Entwicklungsabteilungen sollen somit als Kompetenzcenter flächendeckend für Österreich tätig sein. Ein Beispiel: Die Wiener Gebietskrankenkasse am Wienerberg entwickelt ein System für die Vertragspartnerabrechnung, stellt das nun allerdings allen Sozialversicherungsträgern zur Verfügung. Und die sind auch verpflichtet, das zu nutzen.
In welchen Bereichen ist die ITSV tätig?Fleischhacker: Es hat sich viel bewegt bei der Standardisierung der Software: Vorher gab es beispielsweise neun Systeme für die Vertragspartnerabrechnung. Jetzt gibt es zwar ein zehntes, das wird allerdings alle anderen ablösen. Dann gibt es die Rechenzentren, die nun von den Sozialversicherungsträgern systematisch an uns übertragen und, wenn wir sie nicht mehr brauchen, abgeschaltet werden. Aber wir entwickeln auch Applikationen, die webbasierend den Versicherten angeboten werden, wie z.B. die Rezeptgebührenobergrenze oder auch das Pensionskonto, wo man Einschaumöglichkeiten über das Web hat. Was jetzt ganz stark kommt, ist das Thema ELGA, hier sind wir auch ein Entwicklungsdienstleister, weil wir im Administrieren und Verwalten von zentralen Stammdaten sehr erfahren sind.
Der Mitarbeiterstand der ITSV hat sich von 16 Personen im Jahr 2005 auf inzwischen rund 370 erhöht. Korrelieren Kosteneinsparungen bei der Sozialversicherung mit dem Mitarbeiterzuwachs der ITSV?Fleischhacker: Das korreliert nur bedingt. Seit unserer Gründung haben wir zwar große Wachstumsschübe durchlaufen, die auch durch die Übernahme von ganzen Mannschaften aus den Sozialversicherungsträgern bedingt waren. Bei der Übernahme von Rechenzentren sind beispielsweise auf einen Schwung 160 Mitarbeiter gekommen, beim Aufbau des Servicecenters für die e-Card, das war vorher ausgelagert war, waren es weitere 30 Mitarbeiter. Gleichzeitig gab es aber früher bei IT-Projekten der Sozialversicherungen sehr viele externe Entwickler, deren Anteil nun halbiert werden konnte. Unsere Strategie ist, teurere Externe mit eigenen Mitarbeitern systematisch zu ersetzen.
Die IT-Stammmannschaften der einzelnen Sozialversicherungsträger haben je nach Projektsituation manchmal Bedarf an zusätzlichen Mitarbeitern. Wenn es sich nicht lohnt, diese anzustellen, dann greift man auf uns zurück. Mit dem Konstrukt einer GmbH haben wir die Möglichkeit bekommen, Mitarbeiter günstiger zu bekommen. Wir beobachten den Markt genau und stellen gute Fachkräfte bei uns an, um sie dann den Sozialversicherungsträgern anbieten zu können. Das ist in Summe billiger, als wenn diese die Dienstleistung teuer zukaufen müssten. Die Mitarbeiter werden marktkonform entlohnt, arbeiten dann aber wie interne Mitarbeiter in den jeweiligen Entwicklungscentern der Sozialversicherungsträger.
Das klingt nach einem Leiharbeiterkonzept.Fleischhacker: Das ist auch so etwas Ähnliches. Konkret sprechen wir von Arbeitskräfteüberlassung.
Wie lange dauert die durchschnittliche Beschäftigung dieser externen Mitarbeiter?Fleischhacker: Das ist ganz unterschiedlich, manchmal braucht man High-Level-Skills, die auch wir nicht haben, da muss man dann kurzfristig jemanden vom Markt holen. Und manchmal sind das Tätigkeiten, die länger dauern. Bei Innovationsprojekten ist der Kostenanteil für Externe jedenfalls von 50 auf 30 Prozent zurückgegangen.
Kommen wir auf die Sicherheit zu sprechen. Welche Schritte setzen sie im Bereich Datenschutz?Fleischhacker: Wir haben Stammdaten aller Versicherten in Österreich. In Summe sind das all jene, die mit der Sozialversicherung in irgendeiner Form in Kontakt waren bzw. sind- Ausländer und Angehörige eingerechnet, die bei uns Leistung beziehen – über 14 Millionen Stammdaten. Dabei geht es natürlich um höchst sensible Informationen, weshalb Datenschutz und Datensicherheit einen sehr großen Stellenwert haben. Für die Datensicherheit gibt es daher eine eigene Stabsstelle und wir haben strenge interne Richtlinien, was beispielsweise den Umgang mit Passwörtern oder die Verschlüsselung von Laufwerken betrifft. Außerdem lassen wir uns regelmäßig attackieren, geben also Angriffe in Auftrag, um Schwachstellen zu finden und präventive Maßnahmen zu treffen. Eine hundertprozentige Sicherheit wird es kaum geben, aber was man mit einem vertretbaren Aufwand tun muss, tun wir auch.
Wer darf auf die umfangreichen Datenbestände zugreifen?Fleischhacker: Auf die Stammdaten kann jeder zugreifen, der dazu berechtigt ist. Bei größeren Datenbeständen sind das die Sozialversicherungsträger. Es gibt im öffentlichkeitsnahen Bereich dann auch noch Kunden wie AMS, Ministerien oder die Justiz, die auch unsere Daten, unser Rechenzentrum für diverse Auskünfte nutzen. Dabei haben sie nur Zugriff auf Datenbestände, zu dem sie auch befugt sind. Bei Vertragspartnern haben im Zuge der ELGA nur die Versicherten, die in der Ordination vor Ort sind, Zugriff. Es ist also nicht so, dass Ärzte oder Apotheker unsere Datenbestände bekommen und da Einblick nehmen können.
Ist die Zusammenlegung von Rechenzentren sicherheitstechnisch betrachtet ein Vorteil oder ein Risiko?Fleischhacker: Es gibt Sicherheitsstandards, die bei einem Zentralrechenzentrum für die ganze Sozialversicherung weit höher sind als sie das in der Vergangenheit für ein einzelnes Datencenter waren. Die neuen Standorte müssen, was Sicherheitstechnik betrifft, State-of-the-Art sein.
<br style="font-weight: bold;" /> Stichwort Fachkräftemangel: Wie schwierig ist es, qualifizierte IT-Fachkräfte zu bekommen?Fleischhacker: Sehr schwierig. Man hat die Finanzkrise zwar gespürt, da war das Angebot doch deutlich besser, in den letzten eineinhalb ist es aber wieder sehr schwierig, Top-Mitarbeiter zu bekommen. Es reicht nicht mehr, nur zu inserieren. Man muss da weit mehr investieren. Wir kooperieren mit der TU Wien, sind mit einem Stand auf dem TU Day vertreten. Auch mit diversen Fachhochschulen und HTLs bestehen Kooperationen. Für Top-Level-Mitarbeiter müssen wir aber auch Personalberatungs- und Recruitingfirmen beauftragen, weil bestimmte Skills sehr rar am Markt sind.
Wie viele Frauen befinden sich unter ihren Angestellten?<br style="font-style: italic;" /> Fleischhacker: Es gibt bei uns auch in der Softwareentwicklung sehr gute Frauen, die technisch extrem versiert sind. Ein wichtiges Projekt, die Migration der Client-Server-Architektur in die Webwelt, wird von einer Frau geleitet, die derart gut performt, dass sie auch bei Vorträgen und Kongressen für ähnliche Projekte sehr gefragt ist. Der Frauenanteil im Unternehmen liegt bei 26 Prozent – ein guter Wert für ein IT-Unternehmen!