Nach geplatztem Asylgipfel geht Quartiersuche weiter - Damit Zelte bis zum Winter verschwinden, wird an Containern kein Weg vorbeiführen.
Man kann es nur multiples Organversagen nennen. Es zieht sich durch von geplatzten europäischen und österreichischen Asylgipfeln bis zu Gemeinden wie Bad Gastein, wo Bürger einem Gastronomen wütende E-Mails schreiben, weil er Flüchtlinge in seinem Hotel unterbringt.
Alle ziehen an keinem Strang
Der aktuelle Flüchtlingsstrom aus dem kollabierten Nahen Osten ist eine größere Herausforderung als die Bosnienkrise Anfang der 90er Jahre, meinte der Österreich-Chef des UNHCR, Christoph Pinter, im Interview mit der "Wiener Zeitung". Damals kamen 90.000 Menschen nach Österreich. Pinter meinte, die Krise sei aber lösbar, wenn alle an einem Strang ziehen. Dazu mahnte auch Bundespräsident Heinz Fischer am Donnerstag.
In der Nacht zuvor hatten im Bundeskanzleramt alle Verantwortlichen an ihrem eigenen Strang gezogen, bis das Gipfelpaket zerriss. Die ÖVP-Landeshauptleute ließen Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) mit seinem Vorschlag verpflichtender Bezirksquoten für Asylwerber "anrennen", weil sie diese Quoten für unausgereift und unpraktikabel hielten und Faymann vorwarfen, das Lösungspaket schon vorab mit der "Kronen-Zeitung" ausgepackelt zu haben. Der schwarze Vizekanzler Reinhold Mitterlehner stellte sich hinter die Landeshauptleute.
Eine Woche zuvor hatten wiederum Faymann und Mitterlehner auf Druck der Landeshauptleute Innenministerin Johanna Mikl-Leitner anrennen lassen, die säumigen Ländern ein Ultimatum für die Unterbringung von Flüchtlingen gesetzt hatte.
Nun lecken alle Beteiligten ihre Wunden und übrig bleibt nur, dass die Länder bis Ende des Juli 6500 Quartierplätze zur Verfügung stellen wollen. Sie sind nach der Erstaufnahme ja eigentlich zuständig für die Unterbringung.
Die wahren Leidtragenden der aktuellen Blockade sind die Asylwerber in diesen Erstaufnahmezentren wie Traiskirchen oder Thalham. Sie schlafen, wie vom Magazin "Datum" dokumentiert, zu Hunderten auf Steinböden, stellen sich stundenlang ums Essen an oder finden wie in Thalham nicht einmal in den Notfallzelten genug Platz. Dieser Zustand wurde nun um einen Monat verlängert.
Ende des Nadelöhrs Traiskirchen
Eine gewisse Entlastung, was den künftigen Zustrom an Asylwerbern betrifft, wird der 20. Juli bringen. An diesem Tag tritt ein Gesetz in Kraft, das zusätzlich zu Traiskirchen und Thalham fünf weitere Erstaufnahmezentren in fast allen Bundesländern vorsieht. "Nicht alle werden zwingend zu diesem Tag aktiviert", heißt es aus dem Innenministerium. Aber es falle für neue Anträge der zwingende Umweg über Traiskirchen und Thalham weg. Das heißt, Traiskirchen ist dann nicht mehr das Nadelöhr. Das löst aber noch nicht das Problem des akuten Rückstaus von rund 2000 Menschen, die längst aus Traiskirchen in die Länder zu überstellen wären.
Niederösterreich hat auf einem Gipfel der Gemeinden eine Quote von zwei Asylwerbern pro 100 Einwohner beschlossen und kann diese auch gegen den Willen der Bürgermeister durchsetzen. Aus dem Büro des zuständigen Asyllandesrates Maurice Androsch heißt es, man werde bis Mitte Juli 350 fixe Quartiere ohne Zwang suchen, in aufgelassenen Hotels, Gasthäusern oder Pflegeheimen. Bis Ende September sollen es weitere 1000 Plätze sein. Dann ist aber noch immer nicht klar, ob Niederösterreich überhaupt seine Quote erfüllt. Denn in der Zwischenzeit würde Traiskirchen im Bezirk Baden durch Erstaufnahmezentren in anderen Bundesländern entlastet. Das heißt, die Asylquote im Bundesland sinkt. In der Betrachtung nach Bezirken zeigte sich, dass Niederösterreich ohne Bezirk Baden (Traiskirchen) österreichweit zu den Schlusslichtern beim Asyl zählt.
Kein Platz mehr, wenn die Schule beginnt
In ganz Österreich haben die Landeshauptleute 6500 neue Plätze bis Ende Juli zugesagt - das einzig konkrete Ergebnis des Gipfels. Doch allen Beteiligten ist klar, dass es sich auch hier zum Teil nur um Notquartiere wie Turnsäle, Schulheime oder Hotels in der Sommerpause handeln wird. Nun beginnt im September die Schule und im Herbst die Winter-Tourismussaison. Und die Zelte im ganzen Land, in denen alleine in Traiskirchen 500 ihren Asylalltag fristen, müssen bis spätestens Winter weg. Ziel sei, keine Zelte mehr zu haben, sagt die Innenministerin. Die Experten des Innenministeriums touren im Juli durch die Länder, um sie bei der Quartiersuche zu beraten.
Insider aus den Bundesländern, die nicht zitiert werden wollen, gehen nun fix davon aus, dass nach den Zelten nun winterfeste Container quer durch die Lande aufgestellt werden. Es gibt sie schon jetzt am Landesbauhof in Innsbruck, wo zuletzt 200 neue Asylwerber aufgenommen wurden. Dafür notwendig sind Baugenehmigungen der Bürgermeister und Wasser-, Kanal- sowie Strom-Anschlüsse. Der Vorteil: Bei der Auswahl der Grundstücke ist die Gemeinde flexibler.