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Cops gegen Cops

Von Werner Reisinger

Politik

Die Affäre um den Verfassungsschutz: eine Zwischenbilanz.


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Wien. "Durchwachsen" und "abwartend" sei die Stimmung im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), sagen dortige Mitarbeiter hinter vorgehaltener Hand. Nach Aufhebung seiner Suspendierung durch das Bundesverwaltungsgericht trat BVT-Chef Peter Gridling am Donnerstag wieder seinen Dienst an. Ein "Etappensieg", so nennen es Mitarbeiter Gridlings - zumindest jene, die ihn weiterhin als Chef behalten möchten.

"Lebensfremd" sei es, vom BVT-Chef anzunehmen, er müsse über alle möglichen Fehltritte seiner Untergebenen Bescheid wissen. Zumindest der Inhalt der Zeugenbefragungen, auf deren Basis schließlich das FPÖ-geführte Innenministerium unter Herbert Kickl mit einer Hausdurchsuchung gegen Gridling und weitere leitende BVT-Beamte vorgegangen war, hätte von der BMI-Disziplinarkommission angeführt werden müssen, so das Gericht.

Passrohlinge wurden offenbar freiwillig weitergegeben

Die Entscheidung sei "zu respektieren", so die Reaktion von Kickl. Kickl habe handeln müssen, stärkte FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache seinem Innenminister demonstrativ den Rücken. Gut acht Wochen nach der fragwürdigen Hausdurchsuchung im BVT, bei der die Polizeitruppe der EGS zum Zug kam, die sich normalerweise um Drogendealer und Straßenkriminalität kümmert, zieht bei den Verfassungsschützern trotzdem keine Normalität ein.

Am Donnerstag wurde bekannt, dass einer der Beschuldigten in der Affäre, der Leiter des Bereichs Spionageabwehr, entlassen worden war. Dem Spitzenbeamten war zum Verhängnis geworden, dass er während eines Pflegeurlaubs als geheim klassifizierte Akten bei sich zu Hause hatte. Dass BVT-Mitarbeiter auch zu Hause und außerhalb der Dienstzeiten arbeiten müssen, sei ein offenes Geheimnis und der Personalknappheit geschuldet. Der Anwalt des Entlassenen will arbeitsrechtliche Schritte einleiten. Er könnte gute Chancen haben, schließlich hat laut Vorschrift eine disziplinarrechtliche Entlassung umgehend zu erfolgen. Dem Ministerium seien die Vorwürfe aber schon seit Monaten bekannt.Dennoch ergibt sich nach und nach ein differenzierteres Bild. Zur Erinnerung: Bei den von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) geführten Vorwürfen geht es einerseits um eine angeblich nicht erfolgte Löschung von Datensätzen, andererseits um eine längst abgeschlossen geglaubte Affäre rund um nordkoreanische Passmuster. Ein BVT-Referatsleiter soll sich von der von Nordkorea beauftragten Staatsdruckerei rechtswidrig 30 Passmuster besorgt haben. Gegenüber dem "Kurier" entlastet der Anwalt der Staatsdruckerei aber das BVT: Der Auftrag sei zum inkriminierten Zeitpunkt längst abgeschlossen gewesen, erst danach habe der ehemalige Auslandsgeschäftsführer der Staatsdruckerei 30 Rohlinge an das BVT ausgehändigt - offenbar freiwillig.

Gridlings Anwalt prüft Antrag auf Verfahrenseinstellung

In Frage zu stellen sind inzwischen auch die Aussagen von Innenminister Kickl, wonach jene Zeugen, die sowohl die Hausdurchsuchung als auch die Suspendierungen im BVT ins Rollen gebracht haben, auf ihren "ausdrücklichen Wunsch" hin bei ihrer Aussage vor der WKStA von Beamten des Innenministeriums begleitet worden seien. Die Aussagen würden auch deshalb unter Verschluss gehalten, weil die Zeugen um ihr Leben fürchten müssten. Der Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper wurden die Aussageprotokolle zugespielt: Darin ist weder von der angeblichen Todesangst noch vom Begleitungs-Wunsch der Zeugen zu lesen. "Herr Dr. Lett (Kabinett Kickl, Anm.) hat mir einfach gesagt, dass ich heute hier herkommen soll. Ich weiß allerdings noch nicht genau warum", soll laut Krisper einer der Zeugen zu Protokoll gegeben haben.

"Die Suppe wird immer dünner", sagt Gridlings Anwalt Martin Riedl. Bezüglich der noch laufenden strafrechtlichen Ermittlungen gegen den BVT-Chef prüft Riedl nun einen Antrag auf Einstellung des Verfahrens.

Ministerium entscheidet über Verfahren gegen EGS-Chef

Nach wir vor warte sein Mandant auf das von Innenminister Kickl angekündigte Vier-Augen-Gespräch. Er befürchtete allerdings, dass der Innenminister zu anderen Mitteln greifen könnte, um Gridling loszuwerden. "Um jemanden abzumontieren, sind Organisationsänderungen ein bewährtes Mittel", spielt Riedl auf eine mögliche BVT- und Polizeireform an, die auch von FPÖ-Seite nicht ausgeschlossen wurde. Vom bereits eingesetzten U-Ausschuss - er soll im Spätsommer oder Frühherbst starten - erwartet sich der Anwalt nicht allzu viel. Dieser diene eher zur "politischen Profilierung".

Eine baldige Entscheidung könnte es indes im Fall Wolfgang Preiszler geben. Der FPÖ-Gemeindepolitiker und Leiter der besagten EGS-Truppe verbreitete auf Facebook rassistische und hetzerische Kommentare, die Verdachtsprüfungen der Staatsanwaltschaft sind abgeschlossen und liegen bereits im Justizressort.