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Corona als internationale Propagandafront

Von Walter Feichtinger

Gastkommentare
Walter Feichtinger ist Präsident des Center für Strategische Analysen (CSA), vormals Leiter des Instituts für Friedenssicherung und Konfliktmanagement an der Landesverteidigungsakademie.
© Nadja Meister

Die USA, China und Russland versuchen, die Corona-Krise für sich zu nutzen.


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China schließt die Außengrenzen, um die Einschleppung des Virus aus dem Ausland zu verhindern, Russland propagiert die Seuche als Gefahr von außen und als westliches Problem, während US-Präsident Donald Trump beharrlich vom "China-Virus" spricht. Das Coronavirus hat Einzug gehalten in die geostrategische Propagandaschlacht.

Es war zu erwarten, dass die Ausbreitung und Bekämpfung von Covid-19 über alle humanitären Dimensionen hinweg auch für innen- und außenpolitische Agitation eingesetzt werden würde. Denn das alles dominierende Thema bietet täglich eine ideale mediale Bühne für Botschaften aller Art. Abgesehen von gesundheitspolitischen Aspekten, sind dabei drei Zielsetzungen zu erkennen: die innenpolitische Stärkung der Machthaber, der außenpolitische Imagegewinn oder zumindest die Vermeidung eines dauerhaften Imageschadens sowie die Darstellung der Überlegenheit des eigenen politischen Systems.

So ging es schon im Februar der Parteiführung in Peking darum, nicht als "Vertuscher" wahrgenommen zu werden und Transparenz zu demonstrieren. Sie setzte alles daran, sich als souveräner und entschlossener Krisenmanager zu präsentieren, begleitet von staatlicher Berichterstattung und beeindruckenden Bildern. In einigen chinesischen Medien wurde auch schon angezweifelt, ob die Pandemie tatsächlich in Wuhan ihren Ausgang fand oder das Virus nicht eingeschleppt wurde. Die massiven Hilfslieferungen in Richtung Europa sollen das Image als "Soft Power" festigen und zeigen, wie abhängig Europa in manchen Bereichen bereits von China ist. Die Schließung der Grenzen für Ausländer könnte auch als "Schuldumkehr" wahrgenommen werden.

US-Präsident Trump neigte erst dazu, das Problem zu negieren. Nach seinem Schwenk geht es ihm nun darum, den Schaden für die Wirtschaft zu minimieren, sich vor den Wahlen als Krisenmanager zu zeigen und China als Verursacher zu brandmarken. Die Entwicklung nützt auch seiner "America first"-Strategie, weil nun viele seiner Argumente für eine Abschottung des US-Marktes Anhänger finden.

Präsident Wladimir Putin verordnet derzeit den Russen, zu Hause zu bleiben, um Szenarien wie in Westeuropa oder den USA zu verhindern. China wird nicht erwähnt, das Problem wird nur im Westen verortet. Seine Chefpropagandisten werden da schon deutlicher. Sie verkünden, der Liberalismus habe mit der Corona-Krise ausgedient, die Grenzschließungen in Europa würden die "Pleite der europäischen Idee" bedeuten. Aus ihrer Sicht bestätigen die Entwicklungen Putins Weg zum autoritären System, das dem westlichen überlegen sei.

Europas Staaten haben alle Hände voll zu tun, das Schlimmste zu verhindern. Die EU fasst erst langsam Tritt und besinnt sich ihrer vielfältigen Möglichkeiten. Finanztechnisch ist sie infolge der Lehren aus der Krise 2008 einigermaßen vorbereitet, in vielen Bereichen bietet wohl jeder Tag neue Erkenntnisse und Entwicklungsmöglichkeiten.

Der globale Kampf gegen Covid-19 hat schon voll eingesetzt, jener an der Propagandafront nimmt erst Fahrt auf. Es wird aufschlussreich sein, wie sich Europa an dieser speziellen Front behaupten kann.