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Corona als Trendverstärker

Von Mathias Ziegler

Wirtschaft
Schon vor der Pandemie wurden bei den Spieleverkäufen Zuwächse verzeichnet.
© Kosmos

Vor 200 Jahren wurde der Spieleverlag Franckh Kosmos gegründet. Die Pandemie hat ihm bisher nicht geschadet, berichtet Verlagsleiter Heiko Windfelder im Jubiläumsinterview. Im Gegenteil ist das Interesse an Spielen gewachsen.


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Der Verlag Franckh Kosmos feiert heuer sein 200-jähriges Bestehen. Begonnen hat es 1822 in Stuttgart, als Johann Friedrich Franckh im Vormärz eine Verlagsbuchhandlung für Geschichtsromanen und Belletristik gründete. Der Name Kosmos kam 1903 mit der gleichnamigen Zeitschrift dazu, in dieser Zeit wurden auch die ersten naturwissenschaftlichen Ratgeber, Astronomiebücher und Experimentierkästen auf den Markt gebracht. Die ersten Versuche, Spiele zu veröffentlichen, gab es in den 1930er Jahren, der offizielle Start als Spieleverlag war erst in den 1980ern - heute machen Spiele den Löwenanteil des Umsatzes aus.

Das runde Jubiläum feiert Kosmos dementsprechend nicht nur mit einer offizielle Verlagschronik (Titel: ". . . von nicht verklungener Wirkung . . .") und der Chronik als Graphic Novel ("Das rätselhafte Archiv" erscheint im Juni), sondern auch mit einem eigenen Spiel ("Machi Koro - Bau dir deine Verlagswelt!"). Der Verlagsleiter Spielware, Heiko Windfelder, erklärt im Interview, warum Brettspiele auch im digitalen Zeitalter erfolgreich sind, wie lange es von der ersten Idee bis zur Markteinführung dauert und warum es in seinem Verlag noch kein Spiel zum Klimawandel gibt.

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"Wiener Zeitung": Wie geht es denn dem Kosmos Verlag nach zwei Jahren Pandemie? War es ein Vorteil, dass die Leute in den Lockdowns daheim eingesperrt waren?

Heiko Windfelder: Es war in der Tat so, dass generell mehr Spiele und Bücher verkauft worden sind, nicht nur bei uns. Bei den Spielen ist der Trend allerdings schon vor Corona nach oben gegangen. Das Interesse an Brettspielen wächst seit fünf, sechs Jahren.

Eigentlich erstaunlich in Zeiten von Spielkonsolen und Handy-Spielen.

Ich denke, je digitaler die Arbeits- und Kommunikationswelt wird, desto mehr schätzen es die Leute, mit echten Menschen zu tun zu haben, gemeinsam etwas zu erleben. Und da ist das Brettspiel halt ein Medium, das so etwas gut ermöglicht, weil emotional vielpassiert zwischen den Menschen. Außerdem gibt es einen Trend zu kooperativen Spielen: Man will gemeinsam als Gruppe etwas erleben, es geht nicht nur um Wettbewerb. Und die Szene internationalisiert sich, die Märkte internationalisieren sich, die Autoren kommen aus allen möglichen Ländern und bringen eine Menge Innovationen herein. Das zeigt, was für ein dynamischer Markt das ist. Auch das hat sich in den vergangenen Jahren verstärkt. Ich glaube, die Szene war schon lange nicht mehr so innovativ wie jetzt.

Verlagsleiter Heiko Windfelder sieht sehr viel Innovation und Dynamik in der Branche.
© Kosmos

Welche Rolle spielen die ganz alten Klassiker, die alle paar Jahre ein neues Design bekommen?

Die gibt es auch. Aber die Musik spielt vor allem bei den neueren Spielen, und ich glaube, der Auslöser dafür war "Die Siedler von Catan", das hat den Markt unheimlich dynamisiert und internationalisiert.

Das war das Spiel des Jahres 1995, ist also auch schon eine Weile her.

Und trotzdem hat es in den vergangenen fünf, sechs Jahren nochmals Jahr für Jahr zugelegt. Es ist einfach ein ganz außergewöhnliches Spiel, das eine Lebendigkeit entwickelt hat, die andere schwer erreicht haben. "Catan" wird auch vor allem von Studenten gerade wieder neu entdeckt. In den USA haben es die ganzen Silicon-Valley-Leute rund um Marc Zuckerberg gespielt, dadurch ist das Thema auch in die Sozialen Medien übergeschwappt. Und die sind eigentlich auch ein Beleg dafür, dass sich auch Digital Natives in ihrer Freizeit gerne analog mit anderen Menschen unterhalten.

"Die Siedler von Catan" (1995) wurde zum Kosmos-Welterfolg.
© CC BY-SA 3.0 / Matej Batha

Das heißt, Erwachsene als Zielgruppe werden immer wichtiger? Lösen die womöglich die Kinder als Hauptzielgruppe ab?

Ich glaube, wer als Kind nicht einen guten Kontakt mit Spielen hatte, wird auch als Erwachsener nicht so leicht einen Einstieg finden. Ich sehe da einen großen Bogen, dass Leute, die als Kinder viel gespielt haben, es als Erwachsene wieder für sich entdecken oder überhaupt ihr Leben lang dabei bleiben. Bei Kosmos sind die Familien eine große Zielgruppe, weil gerade in der Familie das Spiel eine der Ebene ist, neben den ganzen Freizeitbeschäftigen, wo man sich gemeinsam beschäftigen kann. Im Skiurlaub zum Beispiel spielt man dann am Abend ein Spiel. Insofern sind Kinder wichtig, sind Familien wichtig. Aber Sie haben recht, es gibt auch einen Erwachsenenmarkt, und das sind sehr stark Studenten. Und dann gibt es noch die Kennerspiele, wo es in die Expertenebene geht. Da ist die Zielgruppe natürlich kleiner. Das Brettspiel ist im Grunde ein vollkommen anerkanntes Medium geworden im künstlerischen Bereich. Spieleautoren werden heute behandelt wie Buchautoren, das ist auch erst eine Entwicklung der vergangenen Jahre. Vor Jahrzehnten hat man vielleicht ein bisschen auf den Spielebereich heruntergeschaut, nach dem Motto: "Das ist doch nur was für Kinder." Das ist heute nicht mehr so. Es gibt eine starke Innovation und Kreativität in diesem Markt.

Wie entsteht ein neues Spiel?

Von den Verlagen und den Autoren her ist der Spielemarkt kleiner als der Buchmarkt. Daher veröffentlichen Spieleautoren oft in mehreren Verlagen, aber natürlich gibt es bestimmte gewachsene Beziehungen. Meistens hat ein Autor eine Idee und sucht dann seinen oder einen Verlag dafür, oder ein Verlag hat ein Konzept und sucht passende Autoren. Von der ersten Idee bis zur Markteinführung dauert es im Durchschnitt ein bis zwei Jahre. Aber es gibt auch manche Spiele, die extrem lange entwickelt werden, so wie zum Beispiel das Wackel-Ei für "Dodo". Da sind wir schier verzweifelt. Es geht ja nicht nur um das Ei selbst, sondern auch um Neigungswinkel, um die Oberflächenbeschaffenheit der Brettchen, über die es rollen, aber nicht rutschen soll. Und im Moment gibt es leider auch sehr, sehr lange Produktionszeiten.

Das Wackel-Ei für "Dodo" war eine besondere Herausforderung für die Kosmos-Tüftler.
© Kosmos

Was spielen deutschsprachige Kinder am liebsten?

Die meistverkauften Spiele sind immer noch die Klassiker. Bei uns sind es Spiele wie "Können Schweine fliegen?", das Spiel des Jahres 2004, oder die "Monster-Falle" von 2011, die wir wegen der großen Nachfrage jetzt wieder neu auflegen. Und was im Moment unheimlich gut läuft, ist "Das NEINhorn" zum Kinderbuch von Marc-Uwe Kling. Neben den ganzen Klassikern wollen die Kinder also auch was ganz Neues haben. "Das NEINhorn" ist extrem rasant gestartet wegen des Buches, andere Spiele wachsen langsamer und setzen sich erst nach und nach durch. Es gibt also unterschiedliche Geschwindigkeiten, bis ein Spiel erfolgreich ist. Und es gibt verschiedene Wege zum Erfolg. "Exit" zum Beispiel hat einen Preis gewonnen und dadurch noch einmal so richtig Schub bekommen, während "Ubongo" rein durch Mundpropaganda den Markt erobert hat. Auch gute Rezensionen helfen manchmal. Es gibt zwar unterschiedliche Wege, aber was allen gemeinsam ist: Wenn ein Spiel über längere Zeit erfolgreich ist, dann liegt das auf jeden Fall daran, dass es einfach gut ist. Das heißt, letztlich bestimmen die Spieler, welche Spiele wir am meisten verkaufen. Aber es gibt natürlich verschiedene Starthilfen.

Welche Rolle spielen Neue Medien und Internet in der analogen Spielebranche?

Da kann man sogar ein paar Punkte nennen: Zum einen können natürlich zu digitalen Spielen Brettspiele kommen, so wie bei "Anno 1800". Oder ein Brettspiel kann digital umgesetzt werden, wie etwa "Catan" oder "Andor". Oder Spiele enthalten digitale Elemente. Oder es gibt unsere Erklär-App mit Service-Charakter. Und natürlich wird die Vermarktung über Soziale Medien immer wichtiger.

Wie kann man als analoger Spielehersteller gegen Spielekonsolen und Streaming-TV reüssieren?

Indem man die Stärken herausstellt: das Haptische, das gemeinsame Erlebnis mit anderen Menschen, das kein anderes Medium so bieten kann. Und das Wachstum des Marktes in den vergangenen Jahren spricht ja für sich. Insofern hat es einen sehr starken Stand im Kinderzimmer. Und dann gibt es auch noch Dinge wie die sozialen Kompetenzen, die Spiele fördern: mit Gewinnen und Verlieren umgehen, sich in der Gruppe behaupten und einbringen - das lernt man bei digitalen Spielen nicht so wie bei Brett- und Kartenspielen.

Was wird das Jubiläumsjahr noch bringen?

Wir haben vor kurzem "Exit - Herr der Ringe" herausgebracht und "Cascadia", wo das Naturthema dabei ist, das auch derzeit im Trend liegt. Zu "My City" wird es ein Nachfolgespiel geben. Die Ideen gehen uns und unseren Autoren nicht aus, keine Angst.

Welche großen Spieletrends sehen Sie in naher Zukunft?

Ganz stark entwickeln sich kooperative Spiele, Exit-Spiele, Krimi-Spiele und Story-Puzzles, wo man erst baut und dann spielt. Es wird auch immer über das Brettspiel hinaus gedacht. Und absehbar als kleineres Thema ist auch der Kontext Natur, der den Menschen wichtig ist.

Spiele zum Klimawandel gibt es aber noch keine.

Ich glaube, das ist bei allen präsent, auch bei den Autoren. Aber es ist nicht so einfach: Ist das jetzt ein Lernspiel? Wo ist da der Spaß? Was muss ich dabei erfahren? Das ist ein Thema, wo man noch eine Idee braucht, um es im Brettspiel umzusetzen. Ansonsten kann ich aber sagen, dass wir beim Thema Nachhaltigkeit in der Produktion an neuen Dingen arbeiten - wir versuchen stärker regional zu produzieren, probieren Bioplastik aus, denken über Verpackungsgrößen nach, ersetzen Kunststoff durch Karton -, aber auch inhaltlich kann da noch was Neues kommen.•