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Corona-Ampel gibt Wahlkampfstart frei

Von Karl Ettinger

Politik

Nach Wien liefert der Bund mit der Ampelschaltung auf Gelb in Oberösterreich ein Jahr vor den Wahlen einen Gegner. Gesundheitsminister Anschober prüft nun Möglichkeiten für eine stärkere regionale Feinabstimmung der Ampel.


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Die Bevölkerung ist klüger als die jeweiligen Politiker. Das wollte Gesundheitsminister Rudolf Anschober am Montag mit einiger Genugtuung zum Ausdruck bringen, auch wenn er es nicht so gesagt hat. Es sei verständlich, dass Politiker in den betroffenen Regionen von der Schaltung der Corona-Ampel auf Gelb nicht begeistert seien. Umso bemerkenswerter sei, dass die Bevölkerung die Ausweitung des Mund-Nasen-Schutzes schon sehr gut umsetze, stellte der Grünen-Politiker in einer Aussendung fest. Anschober und die Bundesregierung hatten sich seit Freitag aus Oberösterreich, vor allem aus der mit Gelb belegten Landeshauptstadt Linz, und aus Wien heftige Kritik anhören müssen. Sein Hinweis auf den reibungslosen Schulstart in Wien war von Anschober als Seitenhieb auf die aufgebrachten Regionalpolitiker gemünzt.

Für Wien, Linz, Graz und den Bezirk Kufstein steht die Corona-Ampel seit der erstmaligen Freischaltung am vergangenen Freitag bis zum Freitag dieser Woche auf Gelb, das mittleres Risiko anzeigt. 290 Corona-Neuinfektionen wurden am Montag österreichweit verzeichnet, 75 davon in Wien, 56 in Oberösterreich.

Unverständnis bei Hacker und Attacken von Luger

In Wien, wo am 11. Oktober gewählt wird, überschatten die Corona-Folgen naturgemäß den Wahlkampf. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hat zwar gemäßigt darauf reagiert, dass die Fast-Zwei-Millionen-Stadt wegen der gelben Farbe der Corona-Ampel zum Schulbeginn mit Maskenpflicht für Schüler und Lehrer bis zur Klasse verpflichtet ist. Den Scharfmacher gegen die türkis-grüne Bundesregierung gab einmal mehr Gesundheitsstadtrat Peter Hacker, der die Ampel-Lösung als "unverständlich" abkanzelte. Wien wird aber die Vorgaben umsetzen.

In Oberösterreich werden zwar erst in einem Jahr Landtag, Gemeinderäte und Bürgermeister neu gewählt. Aber die ÖVP mit Landeshauptmann Thomas Stelzer auf Landesebene und vor allem der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) legten sich ins Zeug. Sie nützten den Umstand, dass für die 200.000-Einwohner-Stadt Linz die Corona-Ampel auf Geld gestellt wurde, zu Protest und Widerstand. Eine Entscheidung durch Bundespolitiker bietet die Gelegenheit, sich vor den Wählern dagegen aufzulehnen. Für Stelzer wie Luger wurde damit eine Plattform zur frühen Profilierung und Wahlkampf ein Jahr vor der Wahl geschaffen.

Beide Oberösterreicher können das gut brauchen. Der ÖVP Stelzers, der im Herbst 2021 seine erste Wahl als ÖVP-Spitzenkandidat schlagen wird, ist bei der Landtagswahl 2015 die FPÖ mit dem machtbewussten Landesobmann Manfred Haimbuchner recht nahe gerückt. Luger musste als Stadtchef 2015 in Linz in die Stichwahl um das Bürgermeisteramt.

Peinliche Enthüllungen um liegengelassene Akten

Seither gab es für Luger peinliche Enthüllungen um liegengelassene Akten. Zuletzt gab es heuer im Mai scharfe Kritik an einem auf 1,5 Milliarden Euro emporgeschnellten Schuldenberg und wiederkehrende Defizite, die mit Vermögensverkäufen an stadteigene Gesellschaften nur zum Teil kaschiert wurden.

Lugers Drohung, verschärfte Maßnahmen nicht umzusetzen, weil die Zahl der Corona-Infektionen zurückgehe, steht im deutlichen Gegensatz zu dem ebenfalls mit Gelb eingestuften Graz. Der Bürgermeister der zweitgrößten Stadt Österreichs, Siegfried Nagl von der ÖVP, reagierte recht gelassen und kündigte an, man wolle mit Maßnahmen bis Freitag erreichen, dass die Corona-Ampel dann auf Grün geschaltet wird.

Auf Bundesebene sind Bundeskanzler Sebastian Kurz und Anschober um Beruhigung bemüht. Der Gesundheitsminister stellte Nachjustierungen der Ampel und eine bessere, regionale Regelung in Aussicht. Auf Details wollte man sich vorerst nicht festlegen, Möglichkeiten würden geprüft. Wahlkampfmunition will der Grünen-Politiker ÖVP und SPÖ nicht (mehr) frei Haus liefern.