Zum Hauptinhalt springen

Corona-Chaos auch im neuen Studienjahr

Von Lydia Mitterbauer und Petra Tempfer

Politik

Die Autonomie enthebt Unis der Corona-Maßnahmen - das neue Semester startet daher wieder voller offener Fragen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 2 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Nach einem turbulenten vergangenen Studienjahr, das aufgrund der Covid-19-Pandemie und mehrerer Lockdowns für Lehrende und Studierende eine Herausforderung war, hatten vermutlich die meisten auf einen geregelteren Ablauf im Herbst gehofft. Doch weit gefehlt. Das Wintersemester beginnt am kommenden Freitag, dem 1. Oktober. Und das einzig Einheitliche ist, dass basierend auf dem 2. Covid-19-Hochschulgesetz an den Universitäten und Hochschulen die 3G-Regel gilt: Zutritt hat, wer geimpft, genesen oder getestet ist, die Maskenpflicht und der Mindestabstand fallen dadurch weg. Die 3G-Regel soll einen Studienstart mit größtmöglicher Präsenz ermöglichen, heißt es dazu vonseiten des Bildungsministeriums.

Hier endet aber auch schon die Einheitlichkeit des Studierens in Zeiten der Corona-Pandemie. Denn die Universitäten können autonom entscheiden und sind daher vom Geltungsbereich der Covid-19-Öffnungsverordnung ausgenommen. Was und ob sich durch die Pandemie etwas am Lehr- und Prüfungsbetrieb ändert - vor allem dann, wenn Prüfungen oder Praktika abgehalten werden - liegt in den Händen der Universitäten und Hochschulen selbst. Die Konsequenz daraus: Studierende starten erneut in ein Wirrwarr von Präsenz- und Fernlehre, und auch die Möglichkeiten, wo und wie man sich für den Präsenzbetrieb an den Unis testen lassen kann, sind unterschiedlich und unübersichtlich.

Kontrolle der Zutrittsregeln noch ungeklärt

Doch nicht nur die Studierenden sind mit offenen Fragen konfrontiert, auch für die Österreichische Hochschülerinnenschaft (ÖH) ist eine - essenzielle - Frage noch unbeantwortet: Wer soll die Zutrittsregeln kontrollieren? Das Bildungsministerium ziehe sich im vierten Corona-Semester erneut mit Verweis auf die Hochschulautonomie aus der Verantwortung, so die Kritik der ÖH am Dienstag. Die Studierenden müssten "Versäumnisse des Sommers ausbaden". An mehreren Hochschulen seien Studierendenvertreter gebeten worden, unentgeltlich bei der Kontrolle der Zutrittsregeln auszuhelfen, so die ÖH, die dafür ein Extrabudget fordert.

"Natürlich werden alle Überlegungen, die die Sicherheitsmaßnahmen von Corona betreffen, auch bei den Leistungsvereinbarungen 2022 bis 2024 berücksichtigt", heißt es dazu auf Nachfrage der "Wiener Zeitung" vom Bildungsministerium. Für diese Periode sei eine neuerliche Budgetsteigerung von 1,3 Milliarden Euro bei einer Gesamtsumme von 12,3 Milliarden Euro vorgesehen. Bereits 2019 bis 2021 hätten die Unis ein deutliches Budgetplus erhalten. "Sie verfügen folglich über hinreichend Budget, um die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen zu finanzieren, die für ein verantwortungsvolles Corona-Management notwendig sind."

Zusätzliche Million wurde nicht zur Gänze abgeholt

Zusätzlich habe das Bildungsministerium 20 Millionen Euro im Rahmen der laufenden Universitätsfinanzierung für allgemeine Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung verfügbar gemacht, heißt es weiter. Zudem hätten jene Unis, "die den finanziellen Mehraufwand nicht stemmen können", Zugriff auf eine extra Million Euro erhalten, die speziell für zusätzliche Kosten durch Teststrategien vorgesehen war -und bis jetzt nicht vollständig abgerufen worden sei. "Neun Unis haben in Summe nur 450.000 Euro erhalten", so das Ministerium, "der Rest wurde gar nicht abgeholt."

Im Moment sei es jedenfalls so, dass Lehrende vor den Lehrveranstaltungen sowie Securities die Zutrittsregeln kontrollieren, sagt Alexandra Seybal von der ÖH zur "Wiener Zeitung". An der Uni Wien etwa gebe es 3G-Checkpoints, heißt es von dieser, und stichprobenartig werde auch an anderen Standorten kontrolliert. Ist jemand weder geimpft, genesen oder getestet, weise man auf die Testmöglichkeiten hin: Vor dem Haupteingang gebe es Gratis-Testboxen (Antigentests und PCR-Tests), so Sprecherin Alexandra Frey. Mit E-Card und ohne Voranmeldung seien diese Montag bis Freitag von 7 bis 19 Uhr und Samstag und Sonntag von 9 bis 17 Uhr geöffnet. Für Covid-19-Meldungen gibt es einen Servicedesk.

Von der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (mdw) heißt es: Da das Gebäude verschiedenste Ein- und Zugänge habe, "kann keine flächendeckende Kontrolle bewerkstelligt werden". Der 3G-Nachweis werde aber beim Haupteingang durch den Portier und zu Beginn der Lehrveranstaltungen durch die Lehrenden kontrolliert. Stichpunktartige Kontrollen durch externes Sicherheitspersonal seien ebenfalls möglich.

Fehlender 3G-Nachweis hat rechtliche Konsequenzen

Kann jemand, der bereits an einer Lehrveranstaltung teilnimmt, keinen 3G-Nachweis vorlegen, so hat das an der mdw dramatische Folgen. In diesem Fall seien disziplinarrechtliche respektive studienrechtliche Konsequenzen angedacht, heißt es. Dabei werde freilich differenziert, ob jemand den Nachweis einmal vergessen hat oder sich grundsätzlich weigert, diesen vorzulegen. Auch die Uni Graz droht mit Konsequenzen. Laut dieser kann bei mehrfachen Verstößen die Universitätsleitung weitere Schritte setzen, die bis zum Ausschluss für das restliche Semester reichen. Und an der Vetmed Uni Wien können all jene, die die 3G-Regel nicht beachten, von der Teilnahme an der Präsenz-Lehrveranstaltung, an der Präsenz-Prüfung und auch am Eignungs-, Aufnahme- und Auswahlverfahren ausgeschlossen werden.

Was die Testangebote betrifft, so verweisen die meisten Unis auf jene der Stadt Wien. Die mdw und auch die TU Wien nehmen zum Beispiel am Wiener Programm "Alles gurgelt" teil und bieten Testkits für PCR-Selbsttest mittels Gurgelmethode für Zuhause an. Mehrere Unis scheinen statt der Tests aber lieber auf Impfangebote zu setzen: Die WU Wien etwa hat eine Impfstraße eingerichtet.

"Recht auf Bildung nicht mehr gegeben"

Eine Tatsache, die Fabian Köppel von der ÖH WU sauer aufstößt. Diese wollte eine Teststraße im Gebäude der WU selbst einrichten - und sei gescheitert, sagt Köppel. Selbst, als die Finanzierung der Tests über Apothekerkammer und Sozialversicherung gesichert war, "blieb die WU bezüglich Räumlichkeiten alles andere als kooperativ".

Die ÖH WU habe daher die Teststraße in ihrem eigenen Besprechungsraum eingerichtet. "Wir wollen keine 2G-Regelung an den Unis, sondern vielmehr die Wahlfreiheit zwischen Impfung und Tests ausbauen", sagt Köppel, in dessen Augen das grundlegende Recht auf Bildung sonst nicht mehr gegeben sei.

Bleibt nur noch die Frage, inwiefern sich die Problematik der 3G-Regel überhaupt stellt - also, welche Unis im Präsenzbetrieb starten wollen. Auch das ist freilich uneinheitlich. Ein Rundruf der "Wiener Zeitung" hat aber gezeigt, dass die Tendenz in Richtung Präsenz-Lehrveranstaltung geht. Wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß.

An der Uni Wien etwa seien 40 Prozent Lehre vor Ort und je 30 Prozent in hybrider Form beziehungsweise online geplant, heißt es von dieser. An der WU wiederum sollen mehr als 80 Prozent und an der Boku 65 Prozent in den Hörsälen selbst stattfinden - an Letzterer sind aber pro Veranstaltung nicht mehr als 40 Personen zugelassen. An der Universität für Angewandte Kunst will man indes zu 100 Prozent zum Präsenzbetrieb zurückkehren.

Die Uni Graz, die ab Freitag "so viel Präsenz" wie möglich plant, wie es heißt, arbeitet gleichzeitig an einem neuen Notfallplan. Falls die Anzahl der Neuinfektionen im Herbst wieder steigt, will sie darauf vorbereitet sein: Geplant sei, dass die Lehrenden diesmal problem-, komplikationslos und schnell auf einen bis zu 60-prozentigen Onlinebetrieb umstellen können.