Positive Studienergebnisse zu Vakzinen geben Anlass zur Hoffnung, dass die Welt die Pandemie in den Griff bekommt.
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Positive Ergebnisse lieferte am Mittwoch der US-Biotechkonzern Moderna: Ein Impfstoff-Kandidat gegen das Coronavirus habe sich in einer laufenden, frühen klinischen Studie als sicher erwiesen und eine Immunantwort bei allen 45 Testpersonen im Alter zwischen 18 und 55 Jahren hervorgerufen, berichteten die Forschenden.
Nach zwei Dosen hätte sich bei den Probanden ein hohes Niveau an virusneutralisierenden Antikörpern gezeigt, das das Durchschnittsniveau von genesenen Covid-19-Patienten überstiegen habe, fasst das Team im "New England Journal of Medicine" zusammen.
Schon am 27. Juli will Moderna die entscheidende Wirksamkeitsstudie mit 30.000 Teilnehmern in den USA starten. Dabei solle die Wirkung auch an älteren Personen, die zur Risikogruppe zählen, getestet werden. Die US-Regierung unterstützt das Projekt mit nahezu einer halbe Milliarde Dollar. Der Leiter des Nationalen Instituts für Allergien und Infektionskrankheiten, Anthony Fauci, sprach von "guten Nachrichten" mit denen man "sehr zufrieden" sein könne.
Immun-Gedächtnis
Eine Impfung gegen Sars-CoV-2 gilt als entscheidend, um die Pandemie zu beenden. Diese Tatsache hat unter Pharmafirmen und Staaten zu einem spektakulären Wettlauf geführt. Mehr als 160 Firmen arbeiten an einem Vakzin, etwa ein Dutzend von ihnen testen Substanzen bereits am Menschen.
Moderna hatte als erstes Unternehmen schon Mitte März eine klinische Studie der Phase I mit einem entsprechenden Wirkstoff gestartet. Wenn die Entwicklung gelingt, wäre das nicht nur für die Menschheit sondern auch für den Konzern ein Coup, zumal er seit seiner Gründung vor zehn Jahren noch kein Produkt auf den Markt gebracht hat.
Ähnlich wie die deutschen Unternehmen BioNTech (das einen ähnlichen Zeitplan wie Moderna vorlegt) und CureVac arbeitet der US-Konzern an einem Corona-Impfstoff auf der Basis von Boten-RNA (mRNA, für Messenger-Ribonukleinsäure). Üblicherweise bestehen Impfungen aus abgeschwächten Viren oder deren Oberflächenproteinen. Beide Varianten lösen keine Erkrankung aus. Jedoch kann es vorübergehend zu Symptomen kommen, da der Körper nach der Verabreichung sein Abwehrsystem "trainiert".
Um genügend Viren-Reste für diese herkömmliche Form der Impfung zu erhalten, muss der Erreger angezüchtet werden - und das dauert mehrere Monate. Beim Coronavirus setzten Entwickler auf mRNA-Impfungen, weil dafür nicht die Viren selbst benötigt werden, sondern nur deren genetische Information. Der Ansatz soll eine besonders schnelle Impfstoff-Herstellung ermöglichen.
Das neue mRNA-Vakzin veranlasst den Körper dazu, das Oberflächenprotein des Virus selbst herzustellen und es direkt zu bekämpfen. Modernas Impfstoff-Kandidat greift speziell das Spike-Protein an, mit dem das Virus an die Zellen andockt. "Unser zweistufiger Impfstoff löst in der ersten Phase eine Immunreaktion aus und ruft in der zweiten das Gedächtnis des Immunsystems auf den Plan. Dabei können grippeähnliche Symptome als Nebenwirkung auftreten. Sie zeigen, dass die Immunantwort funktioniert", erklärte Tal Zaks, Chief Medical Officer von Moderna, live am Mittwochnachmittag im US-Sender CNBC. "Antikörper entstehen bei einer allgemein gut verträglichen Dosis. Nach der Impfung ist die Antikörper-Dichte im Körper wesentlich höher als bei Patienten, die eine Corona-Infektion überstanden haben. Das macht mich sehr zuversichtlich, dass der Wirkstoff funktioniert."
"Keine Kristallkugel"
Wann die Impfung auf den Markt kommen könnte, wollte Zaks aber nicht sagen: "Dazu haben wir keine Kristallkugel".
Der Virologe Christoph Steininger von der Universitätsklinik für Innere Medizin I in Wien zeigt sich zuversichtlich, dass ein Vakzin gegen Sars-CoV-2 bald gelingen kann. "Ich bin optimistisch, dass wir es ein bis zwei Jahren schaffen werden, - aber auch nicht früher. Von einem Impfstoff für die Massen sind wir noch weit entfernt, aber wir sind einige Schritte vorangekommen. Wir haben quasi etwa ein Drittel des Weges geschafft", sagte Steininger zur "Wiener Zeitung".
Auch einige weitere Kandidaten hätten diese frühe Studienphase schon bestanden. Ob geimpfte Menschen aber tatsächlich immun gegen eine Infektion oder geschützt vor einer Covid-19-Erkrankung sind, kann erst in Phase-III-Studien mit Tausenden Probanden untersucht werden. "Alleine, dass es mehr als 100 Impfstoff-Kandidaten gibt, stimmt mich aber optimistisch, dass es funktioniert. Wann in der Geschichte haben wir je mit so großen Kanonen auf Spatzen geschossen?", meinte Steininger.
Berichten über eine mit der Zeit abfallende Immunantwort von Covid-19-Genesenen, insbesondere bei Personen ohne Symptome, erteilt der Virologe eine Absage: "Die Fallzahl ist gering, zudem stimmen die Werte nicht mit grundlegendem Wissen der Immunologie überein."
Auch zum Thema infektionsverstärkender Antikörper, ein Phänomen bei Coronaviren, äußert er sich skeptisch. Wird eine Person geimpft und entwickelt Antikörper, sorgt demnach das Phänomen etwa bei Denque-Fieber für schwere Verläufe bei Zweitinfektionen. Da Denque sich in vier Subtypen unterteilt, könnten zuvor gebildete Antikörper das Virus zwar erkennen, aber nicht neutralisieren. "Das ist Panikmache" betont Steiniger. "Dieser Effekt ist eine Hypothese, die nicht einmal bei Denque-Fieber bewiesen ist. Sars-CoV-2 hat nur einen Subtyp und bisher nur Mutationen an kleinen Teilen im Genom vollzogen, die das für eine Impfung wichtige Spike-Protein nicht betrifft." Die Hoffnung, dass die Pandemie gestoppt werden kann, gewinnt somit Rückenwind.