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Corona prägt das Sterbegeschehen

Von Simon Rosner

Politik

Österreich verzeichnete bisher etwa 10.000 Corona-Tote. Die Daten variieren, sind aber ohnehin nur eine Annäherung. Was die Zahlen aussagen.


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Es ist ein trauriger Meilenstein. Die Corona-Pandemie hat in Österreich bisher mehr als 10.000 Todesopfer gefordert, konkret meldeten Gesundheits- und Innenministerium am Donnerstag insgesamt 10.026 Sterbefälle, 29 kamen in den vergangenen 24 Stunden dazu.

Auf dem offiziellen Dashboard der Gesundheitsagentur Ages ist die Grenze zur Fünfstelligkeit noch nicht überschritten. Am Donnerstag waren hier 9.774 Covid-19-Sterbefälle registriert, also fast 300 weniger. Die Daten werden unterschiedlich erhoben, und sie dienen auch unterschiedlichen Zwecken. Für die Ages steht die Überwachung des Infektionsgeschehens im Vordergrund. Dieses soll möglichst akkurat abgebildet werden. Unklare Fälle müssen erst überprüft und Fehler korrigiert werden. Vorrang hat hier die Genauigkeit.

Die 10.026 Sterbefälle sind die Addition der täglichen Einmeldungen der Bundesländer in der morgendlichen Sitzung des Krisenstabs. Diese Daten dienen der Politik als Grundlage für unmittelbare Entscheidungen. Kleinere Ungenauigkeit wiegen weniger schwer als der mögliche Zeitverlust durch die doppelte und dreifache Kontrolle der einzelnen Meldungen. Die kleinen Fehler werden aber mitgeschleppt und addieren sich über Monate auf.

Männer stärker von Covid-Mortalität betroffen

Es gibt auch leicht unterschiedliche Falldefinitionen, zudem ist die Ages beim Dashboard um einen Tag hintennach, auch das führt zu den unterschiedlichen Daten. Die Zahlen sollte man aber ohnehin nur als Annäherungswert interpretieren. Einerseits blieben vor allem zu Beginn der Pandemie Fälle unentdeckt, nicht nur in Österreich, andererseits werden durch die Falldefinitionen manche Sterbefälle nicht korrekt erfasst. So wird als Covid-19-Toter von den Bundesländern gezählt, wer innerhalb von 28 Tagen nach laborbestätigter Sars-CoV-2-Infektion stirbt. Es gibt aber auch Todesfälle danach, teilweise lange danach. Dutzende ehemalige Covid-19-Patienten warten allein in Wien auf eine neue Lunge. Nicht alle werden überleben. Sie würden in der offiziellen Statistik wohl kaum aufscheinen.

Von den 9.774 Covid-Toten laut Ages waren mehr als die Hälfte, nämlich 5.154, Männer. Lässt man die letzte Alterskategorie der über 85-Jährigen weg, in der viel mehr Frauen an Covid-19 starben, da es aber eben auch deutlich mehr Frauen in dieser Altersgruppe gibt, ist der Effekt noch deutlicher zu sehen. Dann stehen 3.392 männlichen Covid-19-Toten 1.987 weibliche gegenüber. Und die höhere Mortalität offenbart sich auch in jüngeren Kohorten. Bis zum 54. Lebensjahr sind generell nur sehr wenige Personen am Coronavirus gestorben, nämlich 182, davon waren aber immerhin 125 Männer.

Versteckte Übersterblichkeit

Der Effekt der Impfungen ist in den vergangenen Wochen zu bemerken, aber sehr stark ausgeprägt ist er noch nicht. Die über 85-Jährigen machten bis März knapp die Hälfte aller Covid-19-Toten aus. Dieser Wert ist nun auf etwa 30 Prozent zurückgegangen, dennoch starben in den vergangenen vier Wochen 253 Personen in dieser Altersgruppe. Immerhin jeder zehnte Covid-19-Tote war im vergangenen Monat aber zwischen 55 und 64 Jahre alt. Im Winter lag der Anteil dieser Kohorte bei nicht einmal 4 Prozent.

Freilich, es gibt nicht nur Covid-19. Beim Rückblick auf die Gesamtsterblichkeit des Vorjahres hatte die Statistik Austria allerdings deutlich mehr Todesfälle registriert, als zu erwarten gewesen wären. Der Wert war auch höher als die damals offizielle Zahl der Covid-19-Toten. Insgesamt kam Österreich auf eine Übersterblichkeit von etwa elf Prozent.

Gegenwärtig ist keine solche Übersterblichkeit zu beobachten, weder bei den absoluten Zahlen noch bei der statistisch genaueren, altersstandardisierten Betrachtungsweise. Es gibt allerdings auch keine Untersterblichkeit, und das ist bemerkenswert. Erstens gibt es heuer so gut wie keine Grippe, zweitens sind im Winter eben besonders viele alte Menschen an Covid-19 gestorben.

Laut Daten der Statistik Austria sind in vier der letzten sechs registrierten Kalenderwochen in Pflegeheimen weniger als 300 Personen gestorben. Das hat es seit Jahren nicht mehr gegeben. Auch das ein Aspekt, der darauf hindeutet, dass derzeit mit einer Untersterblichkeit zu rechnen ist, tatsächlich bewegt sich das Sterbegeschehen aber im Durchschnitt der vergangenen Jahre ohne Coronavirus. Es deutet darauf hin, dass das Virus nach wie vor das Sterbegeschehen in Österreich stark prägt. Viel stärker als etwa in Dänemark. Dort verzeichnete man im Februar eine Untersterblichkeit von mehr als 7 Prozent, in Norwegen gar von um die 12 Prozent.