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Corona-Zweitinfektion: Der Beweis, dass es Immunität gibt

Von Alexandra Grass

Wissen

Nach dem Bekanntwerden von Reinfektionen mit Sars-CoV-2 in Hongkong und Europa herrscht Aufregung. Virologen überrascht das nicht.


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Wien. Nach dem Bekanntwerden von Reinfektionen mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 herrscht allgemeine Aufregung. "Das überrascht uns Virologen nicht", betont hingegen Lukas Weseslindtner von der Medizinuni Wien gegenüber der "Wiener Zeitung". Grund zur Panik sei unangebracht, führt er weiter aus. Im Gegenteil - eine milde Reinfektion ohne Symptome liefere ja den Beweis, dass es eine Immunität gibt. Dabei führt er vielmehr die Gesamtheit des immunologischen Gedächtnisses des Menschen ins Treffen als das Vorhandensein von Antikörpern allein.

Am Montag wurde der Fall eines 33-Jährigen aus Hongkong publik, der infolge einer Testung nach einer Urlaubsrückkehr aufgefallen war. Die Erstinfektion war schon mild verlaufen, die erneute sogar ohne erkennbare Symptome. Nun wurden zwei ähnliche Fälle aus den Niederlanden und Belgien mit milden Symptomen bekannt.

Beim ersten Fall hätten Forscher der Uni Hongkong genetisch nachgewiesen, dass es sich bei der zweiten Infektion um eine leicht veränderte Form von Sars-CoV-2 handelt, bezieht sich Weseslindtner auf die Publikation im Fachblatt "Clinical Infectious Diseases". Das Ausmaß der Unterschiede beweist aus Virologensicht eine Reinfektion mit einem neuen Virus.

Dieses habe nämlich an 24 Nukleotidstellen eine genetische Veränderung zum ersten aufgezeigt. Der asymptomatische Verlauf würde dabei andeuten, dass das immunologische Gedächtnis - hier vor allem die zelluläre Immunantwort, bei der etwa T-Zellen in Abwehr treten - zu einem Schutz vor einem schweren Verlauf beigetragen hat.

Gerade bei Viren, die Atemwegsinfektionen verursachen, sei das zelluläre Immunsystem von besonderer Bedeutung und nicht die in der Öffentlichkeit immer wieder als Hoffnungsträger gepriesenen Antikörper. Dringt ein Virus einmal in eine Zelle des Respirationstraktes ein, gehen unter anderem T-Zellen ans Werk, um die Virusvermehrung zu verlangsamen bzw. die virusinfizierten Zellen zu zerstören. Die Hauptwirkung von Antikörpern entfaltet sich hingegen im Blut (hier schützen sie zum Beispiel vor einer Streuung der Erreger in andere Organe). Da Sars-CoV-2 vor allem Schleimhautzellen befällt (und so bis tief in die Lunge weiterwandern kann), kommt es mit den im Blut vorhandenen Antikörpern kaum in Berührung.

Mildere Verläufe als Ziel

Dem zellulären Immunsystem ist es hingegen möglich, im Gewebe in Aktion zu treten und die dort vorhandenen infizierten Zellen zu beseitigen. Die Konzentration der Antikörper sage bei Covid-19 daher wenig über die Qualität der Immunität eines Menschen aus. Antikörper zeigen lediglich an, ob eine Infektion stattgefunden hat oder eben nicht, erklärt der Virologe. "Wie bei anderen Virusinfektionen beobachten wir bei mit Sars-CoV-2-Infizierten, dass die Antikörperkonzentration nach der akuten Infektion abfällt", das allein sei aber "kein Hinweis, dass jegliche Immunität sofort vergeht".

Derzeit spricht vieles dafür, dass Geschwindigkeit und Ausmaß der zellulären Immunantwort den Verlauf der Infektion beeinflusst. Also, je besser und schneller sich beispielsweise T-Zellen um die Infektion kümmern, umso leichter der Verlauf. Und wenn aus T-Zellen nach der Infektion Gedächtniszellen werden, könnten diese auch vor schweren Verläufen bei Reinfektionen schützen.

Auch Impfungen könnten in diese Richtung abzielen. Und "selbst wenn sie nur vor einem schweren Erkrankungsverlauf schützen würden, wären die schwersten Folgen der Pandemie auch gebannt". Überhaupt gibt es bei vielen Infektionen des Respirationstrakts, etwa durch Influenza- oder Schnupfenviren, keine vollständige und lebenslange Immunität. So wird uns womöglich auch Sars-CoV-2 erhalten bleiben - im besten Fall mit milden Reinfektionen, ähnlich dem "Schnupfen".