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Coronakrise offenbart Gleichstellungsdefizite

Von Margit Schratzenstaller

Gastkommentare
Margit Schratzenstaller ist Ökonomin am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO).

Frauen übernehmen in Österreich zwei Drittel der unbezahlten Arbeit.


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Die Corona-Krise hat auch in Österreich die bestehenden Gleichstellungsdefizite deutlich aufgezeigt. Ein größerer Teil des Homeschooling sowie der zusätzlichen Haus- und Betreuungsarbeit fiel Müttern zu: nicht überraschend vor dem Hintergrund der bestehenden Ungleichverteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit. Frauen übernehmen in Österreich zwei Drittel der unbezahlten Arbeit, während nur vierzig Prozent der bezahlten Arbeit auf sie entfallen. Die Teilzeitquote ist mit knapp fünfzig Prozent eine der höchsten in der EU.

Gleichzeitig zeigt die Krise auch Chancen für die Gleichstellung auf: Es hat sich gezeigt, dass flexiblere Arbeitsmodelle zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf funktionieren, und nicht wenige Männer haben sich im Home Office stärker in der Kinderbetreuung engagiert. Allerdings erfordert die tatsächliche Entfaltung der Gleichstellungspotentiale, die in der Krise offenbar wurden, entschiedene politische Weichenstellungen. Gleichstellung muss auch in der Budgetpolitik der nächsten Jahre eine Priorität sein. So ist die Aufstockung des Frauenbudgets im Bundesbudget für 2020 um zwei Millionen Euro auf zwölf Millionen Euro nach einem Jahrzehnt Stagnation zwar positiv, sie gleicht allerdings nur die Inflation aus. Auch ist der im Regierungsprogramm angekündigte weitere Ausbau der von vorschulischen Betreuungseinrichtungen und Nachmittagsbetreuung an Schulen voranzutreiben.

Zentral sind aber Maßnahmen, die die gleichmäßigere Aufteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit zwischen Frauen und Männern unterstützen. Es ist begrüßenswert, dass das Finanzministerium seit Jahren als Gleichstellungsziel verfolgt, dass das Abgabensystem eine gleichmäßigere Verteilung von Erwerbsarbeit und unbezahlter Arbeit zwischen Frauen und Männern unterstützt. Hier müssen aber konkrete Maßnahmen folgen: Etwa die Senkung der Sozialbeiträge für untere Einkommen und des Eingangssteuersatzes, was vor allem die Frauenbeschäftigung stärken würde. Oder der Abbau von Regelungen, die eine ungleiche Arbeitsteilung unterstützen - Stichwort Überstundenbegünstigung. Auch die anderen Ministerien sollten entsprechende Maßnahmen setzen: beispielsweise Reformen der Kinderbetreuungsgeldregelungen, die die Väterbeteiligung erhöhen. Ebenso ist die im Regierungsprogramm festgehaltene Teilnahme an der EU-weiten Zeitverwendungsstudie ein Muss. Zudem sollte das Instrument des Gender Budgeting, das in Österreich auf Bundesebene seit dem Jahr 2013 flächendeckend existiert, intensiver genutzt werden.

Es fehlt eine übergeordnete Gleichstellungsstrategie, und die Koordination zwischen den Ressorts sollte gestärkt werden. Auch sollten alle Länder und Gemeinden endlich ihrer verfassungsmäßigen Verpflichtung zur geschlechtergerechten Gestaltung ihrer Haushalte nachkommen. Ganz aktuell wäre schließlich bei der Ausgestaltung und Bewertung sowohl der Corona-Soforthilfemaßnahmen als auch von Konjunkturpaketen stärker als bisher auf Gleichstellungsaspekte zu achten.

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