Das Wettrennen um einen Impfstoff gegen das Coronavirus hält an. Immer mehr Substanzen werden schon am Menschen getestet.
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Wien. Die Coronavirus-Pandemie hat unter Pharmafirmen, aber auch Staaten, zu einem spektakulären Wettlauf um einen Impfstoff geführt. Mehr als 160 Firmen arbeiten weltweit an einer Vakzine, an rund 200 möglichen Covid-19-Impfstoffen wird geforscht. Ein knappes Dutzend wird schon am Menschen getestet. Nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO könnten bis Ende des Jahres ein oder zwei Substanzen, die vor Sars-CoV-2 schützen, vorliegen. Ob sich die Forschung allerdings tatsächlich schon in der Zielgeraden befindet, ist noch unklar.
Vorhersagen seien immer schwierig, aber wenn alles glatt laufe mit den derzeitigen Studien, könnten dann auch schon einige Hundert Millionen Impfdosen hergestellt sein, betonte Soumya Swaminathan, Chefwissenschafterin der WHO, am Donnerstag in Genf. Bis Ende 2021 könnten zwei Milliarden Impfdosen vorliegen.
Die WHO arbeite mit allen Ländern der Welt an einer Vereinbarung über Prioritäten bei der Verteilung. Dass sich ein Land eine Vakzine für sich sichere, solle vermieden werden. Auf einer Prioritätenliste könnten etwa das Personal in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen, Polizisten, Verkäufer, ältere oder vorerkrankte Menschen stehen.
Das Tempo ist jedenfalls bemerkenswert. Sowohl das US-Biotech-Unternehmen Moderna als auch die Universität Oxford starten schon in Kürze mit Phase-III-Studien am Menschen. Moderna hatte von "positiven Zwischenergebnissen" berichtet. Das Produkt ist ein RNA-Vakzin. Es soll die Virusvermehrung in der Lunge verhindern sowie neutralisierende Antikörper gegen den Erreger Sars-CoV-2 bilden.
Beurteilung problematisch
Der Oxford-Impfstoff wiederum basiert auf Schimpansen-Adenoviren, die genetisch so verändert sind, dass sie die Vermehrung des Virus beim Menschen verhindern. Angaben aus Oxford zufolge hat man mittlerweile Hinweise, dass Menschen nach der Impfung neutralisierende Antikörper gebildet haben. Unterdessen hat sich die Universität mit dem Pharmariesen AstraZeneca zusammengetan, der das Mittel in großen Mengen produzieren will, sobald seine Wirksamkeit bewiesen ist.
Auch in China wurden bereits neu entwickelte Impfstoffe an Menschen getestet. Ein Forscherteam aus Wuhan sowie die Firma Sinovac berichteten von ähnlichen Ergebnissen wie die Wissenschafter aus Großbritannien.
Auch in Deutschland wird kräftig mitgemischt. Seit Ende April läuft eine Phase-I-Studie der Mainzer Firma Biotech. Am Universitätsklinikum Tübingen startete am Donnerstag die erste klinische Studie zur Testung eines mRNA-Impfstoffs des Unternehmens CureVac. Im Gegenzug zu herkömmlichen Impfungen verzichtet der mRNA-Impfstoff auf Antigene von lebenden, abgeschwächten oder abgetöteten Krankheitserregern. Der Impfstoff soll Mitte nächsten Jahres marktreif sein.
Da man allerdings die Aktivitäten des Immunsystems gegen das Virus noch nicht besonders gut kennt, ist die Beurteilung, ob ein Impfstoff tatsächlich funktioniert, problematisch. Auch weiß zur Zeit niemand, wie viele Antikörper ein Mensch aufweisen muss, um vor einer Infektion geschützt zu sein. Ein Urteil über den Impfstoff kann man vermutlich erst dann fällen, wenn dieser einerseits breit in Verwendung ist und parallel dazu Geimpfte auf natürliche Art mit Sars-CoV-2 in Kontakt gekommen sind.