Die Strabag schließt 1000 Baustellen: Die Baubranche ist stark verunsichert und fordert eine einheitliche Regelung.
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Wo gerade noch gebohrt, gehämmert und geschliffen wurde, herrscht nun Ruhe. Denn die Corona-Krise ist auch in der Baubranche mit ihren 140.000 Beschäftigten und 14.000 Unternehmen angekommen.
Der größte heimische Baukonzern Strabag kündigte am Mittwoch an, alle Baustellen in Österreich einzustellen. Auf rund 1000 Baustellen von Bregenz bis Wien werde die Arbeit geregelt eingestellt. 11.000 Mitarbeiter werden beim Frühwarnsystem des AMS zur Kündigung angemeldet.
Als Gründe nannte der Baukonzern den gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitsabstand von mindestens einem Meter zwischen den Bauarbeitern, der nicht eingehalten werden könne. Laut Covid-19-Maßnahmengesetz muss der Abstand während der Arbeitsleistung, während der Pausen (einschließlich von Aufenthalten im Container) und während der An- und Abreise auf die Baustelle eingehalten werden.
Wie Strabag-Chef Thomas Birtel weiter ausführte, sei die Lieferkette von Materialien und Nachunternehmen nicht sichergestellt. Nach Abwägung aller Interessen und vor allem auch der gesellschaftlichen Verantwortung wegen sehe man sich gezwungen, "diesen drastischen Schritt zu setzen".
Stillstand für mehrere Wochen
Wie sich dieser Stillstand auf das Unternehmen auswirkt, könne er noch nicht beziffern. Auf alle Fälle wird es negative Folgen haben. Die Baustellen der Strabag werden gesichert und für einen mehrwöchigen Stillstand vorbereitet, wie es hieß. "Projekte von übergeordnetem öffentlichen Interesse", wie etwa der Um- und Ausbau des Krankenhauses Villach, würden eingeschränkt weitergeführt.
Dem Beispiel der Strabag folgten auch andere Baufirmen wie etwa die Habau-Gruppe, die nun fast alle ihrer rund 600 Baustellen stilllegt. Auch die Baustelle am Parlament in Wien wurde "weitestgehend" eingestellt. Statt 500 Arbeitern seien laut einer Sprecherin der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) derzeit nur etwa 25 vor Ort, um die Baustelle zu sichern. Es gibt auch einen Covid-19-Verdachtsfall.
Der Verband der Beton- und Fertigteilwerke kündigte an, die Produktion herunterzufahren.
Beim Technologieunternehmen IGO Industries entscheide man individuell mit dem jeweiligen Bauherrn gemeinsam, wo eine Baustelle unter der Gewährleistung der Sicherheitsauflagen weitergeführt werden kann, sagt Geschäftsführerin Iris Ortner. Aufrechterhalten werden jedenfalls Wartungsarbeiten bei kritischer Infrastruktur wie Krankenhäusern und in der Lebensmittelindustrie.
ÖBB und Asfinag erklärten, nicht notwendige Baustellen einzustellen. Bei der Asfinag gibt es heuer knapp 300 Projekte, die bereits laufen oder für die 2020 ein Baustart geplant war. Davon seien fast alle nun von der zeitlich befristeten Einstellung oder Verschiebung betroffen, heißt es von der Asfinag. Baustellen werden durch Zäune gesichert, mit Planen versehen, und kleinere Rückbauten werden eingeleitet.
Die ÖBB ist gerade dabei, die Baustellen gemeinsam mit Baufirmen und Behörden zu analysieren. "Wir können die Baustellen nicht einfach einstellen, weil Sicherungsvorkehrungen getroffen werden müssen", sagt ÖBB-Sprecherin Juliane Pamme. Jede Baustelle werde genau geprüft. Österreichweit gebe es mehrere tausend ÖBB-Baustellen, von der kleinen Eisenbahnkreuzung bis zum Semmeringtunnel. Baustellen mit Instandhaltungsmaßnahmen, etwa für den Güterverkehr, werden aufrechterhalten.
Unter den großen Baukonzernen herrscht Unsicherheit, wie man mit den Baustellen umgehen sollte. Zum Teil wird noch gearbeitet. Kleine Baufirmen gingen aber bereits in Betriebsurlaub. Den Baufirmen ist es freigestellt, ob sie ihre Arbeiten weiterführen.
Gewerkschaft und Bauinnung wollen Klarheit
Ein einheitliches Vorgehen aller Unternehmen gibt es jedenfalls nicht. Das sorgt für viel Unsicherheit in der Branche. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) sagte im Ö1-"Mittagsjournal" am Mittwoch, dass das Ministerium derzeit mit den Sozialpartnern im Gespräch sei. "In Kürze" sollen Maßnahmen kommen. Diese werden von der Gewerkschaft Bau-Holz und von der Bundesinnung Bau in der Wirtschaftskammer vehement gefordert.
Baugewerkschafter Josef Muchitsch kritisiert, dass es immer noch Baustellen gibt, auf denen ohne Dringlichkeit weitergearbeitet wird. Er ist verärgert darüber, dass manche Bauherren trotz der Corona-Ansteckungsgefahr auf Fertigstellungsterminen beharren und den Unternehmen Schadenersatzforderungen androhen, sollten sie nicht auf der Baustelle erscheinen.
Die Regierung solle sofort per Verordnung alle Baustellen schließen, die nicht zur Aufrechterhaltung der Infrastruktur notwendig seien, fordert Muchitsch. Auch Hans-Werner Frömmel von der Bundesinnung Bau fordert Rechtssicherheit ein. Die politisch Verantwortlichen müssten sehen, dass die jetzige Situation untragbar sei.