Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 22 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Costa Rica ist etwas anders als seine mittelamerikanischen Nachbarländer. An der Straße vom internationalen Flughafen ins Zentrum von San Jose gibt es keine Elendsviertel und keine Müllberge. An den Verkehrsampeln tummeln sich auch nicht die anderswo so zahlreichen Bettler und Scheibenputzer. Höfliche Autofahrer stoppen für Fußgänger, und das größte Denkmal der Stadt ist nicht etwa Säbel schwingenden Generälen oder Revolutionshelden gewidmet, sondern den Vätern der Sozialversicherung.
Dennoch: Der Sieger der Präsidentenwahl am 3. Februar steht vor keinen leichten Aufgaben. Egal ob Abel Pacheco von den regierenden Christsozialen (PUSC), Rolando Araya von der sozialdemokratischen Partei der Nationalen Befreiung (PLN) oder Otton Solis von der neu gegründeten Bürgeraktion (AC) das Rennen macht - ohne eine Serie von Reformen, so warnen Wissenschaftler, wird Costa Rica sein für lateinamerikanische Verhältnisse hohes Entwicklungsniveau nicht halten können.
In ihrer jährlich erscheinenden, viel beachteten Studie "Estado de La Nacion" ("Lage der Nation") weisen die Wissenschaftler darauf hin, dass Costa Rica zwar zwischen 1940 und 1975 große wirtschaftliche und soziale Fortschritte gemacht, seit den 80er Jahren aber deutlich an Entwicklungsdynamik eingebüßt habe. Das Bildungssystem und die Infrastruktur des Landes müssten verbessert, die staatliche Strom- und Telefongesellschaft ICE modernisiert werden. Die Armutsrate von 20 Prozent sei zwar niedriger als im Durchschnitt Mittelamerikas (60 Prozent), aber immer noch zu hoch.
Oppositionskandidat Araya hat versprochen, die Schulpflicht, die bisher nur für die sechs Jahre Grundschule gilt, auf die Sekundarschule, also bis zum 11. Schuljahr, auszuweiten. Um den Ausbau von Schulen und Hochschulen, Fernstraßen und Brücken bezahlen zu können, will Araya dafür sorgen, dass alle Steuerpflichtigen auch Steuern bezahlen. Jüngste Neuberechnungen haben nämlich ergeben, dass die Steuerquote, also der Anteil der Steuern am Bruttoinlandsprodukt (BIP), in Costa Rica bei nur 13 Prozent liegt. Privatisierungen lehnt der Sozialdemokrat Araya ab. "In einem kleinen Land gibt es natürliche Monopole wie Stromversorgung und Fernmeldewesen", so Kandidat Araya.