Athen - Der dänische Premier Anders Fogh Rasmussen konnte das Weihnachtsfest als auf der ganzen Linie erfolgreicher EU-Ratsvorsitzender feiern. Wenn der Skandinavier zum Jahreswechsel die Präsidentschaft der Europäischen Union an seinen griechischen Amtskollegen Costas Simitis abgibt, übernimmt eine selbstbewusste sozialistische Regierung in Athen für sechs Monate die Sprecherrolle für die 15 EU-Mitgliedsländer. Unterdessen verdichten sich die Anzeichen, dass Simitis der nationalen Politik den Rücken kehren könnte.
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"Wir sind Teil des Schengener Raums sowie ein Euroland und gehören damit zum 'harten Kern' der EU. Noch nie wurde unsere Stimme in Brüssel so deutlich gehört wie heute", freut sich Griechenlands Ministerpräsident und kommender Ratspräsident Simitis.
Feierlicher Akt am 16. April
Vor allem will die griechische EU-Präsidentschaft die Erweiterung der Union vorantreiben. "Wir wollen die komplizierten Beitrittsprotokolle feierlich unterhalb der Akropolis am 16. April 2003 unterzeichnen lassen", sagt Premier Simitis.
Athen bereitet sich intensiv auf diesen ersten Höhepunkt seiner EU-Ratspräsidentschaft vor. "Es wird für unser geographisch am Rande der EU liegendes Land ein Jahrhundertereignis sein, 25 Staats- und Regierungschefs an der Akropolis, der Wiege der Demokratie zu haben", verlautet aus Kreisen des griechischen Außenministeriums. Hier sollen die Beitrittsländer zunächst den Status von Beobachtern erhalten, bevor je nach Ausgang der Volksabstimmungen am 1. Mai 2004 endgültig die Aufnahme vollzogen werden kann.
Als weiteres zentrales Thema gilt die Zuwanderung. "Wir wollen eine umfassende Debatte dazu führen", sagt Ministerpräsident Simitis und strebt eine gemeinsame EU-Politik zu diesem Thema an. Die wegen der alternden angestammten Bevölkerung notwendige Zuwanderung könne nicht ohne Steuerung fortgesetzt werden. "Andernfalls wird die EU bald mit ausländerfeindlichen und rassistischen Problemen konfrontiert", warnt der künftige Ratsvorsitzende. Athen will den anderen Mitgliedsländern eine gemeinsame EU-Grenzpolizei vorschlagen.
Ausgesprochen Kopfschmerzen bereitet den Griechen der mögliche Ausbruch eines drohenden Irak-Krieges während ihrer Ratspräsidentschaft. Ihr Land müsste in dieser weltpolitisch extrem schwierigen Frage die gesamte EU vertreten. Costas Simitis hat schon angedeutet, dass er die Unterstützung der größeren EU-Staaten brauchen wird. "Eine große Hilfe wird für uns in diesem unerwünschten Fall der (nicht-ständige) Sitz Deutschlands im UNO-Weltsicherheitsrat sein." Ab Jänner ist Berlin als drittes EU-Land neben den ständigen Mitgliedern Großbritannien und Frankreich mit Sitz und Stimme im höchsten UNO-Gremium vertreten.
"Sprungbrett" für Simitis?
Die griechische EU-Ratspräsidentschaft rechnet damit, dass beim Gipfeltreffen von Saloniki im Juni 2003 auch die ersten Ergebnisse des Europäischen Konvents über die Strukturreformen in der EU vorliegen werden. "Wir wollen in Saloniki eine erste Debatte über die Erkenntnisse und Vorschläge des Konvents führen, wie die EU mit 25 und später auch 27 oder mehr Mitgliedstaaten regiert werden könnte", sagt Simitis. Einige Vertraute machen keinen Hehl daraus, dass der Ministerpräsident dabei auch ganz persönliche Pläne für die politische Laufbahn ins Auge gefasst hat. "Seine" EU-Ratspräsidentschaft sehe er als Sprungbrett für einen späteren Wechsel nach Brüssel, berichteten griechische Medien.