Zum Hauptinhalt springen

CO<sub>2</sub> als Flugzeugtreibstoff

Von Peter Malanik

Gastkommentare

Es ist höchste Zeit, mit Vorurteilen gegenüber einem alternativen Antrieb aufzuräumen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 3 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

In der Luftfahrt gibt es zu sogenannten Sustainable Aviation Fuels (SAFs) auch mittelfristig keine Alternative. Elektrische Antriebe werden Randerscheinungen für Spezialmärkte bleiben, weil die Energiedichte von Batterien zu niedrig ist: In einem Kilo Kerosin steckt so viel Energie wie in 70 Kilo Batterie. Ein mit Kerosin betriebenes Flugzeug wird im Lauf eines Fluges immer leichter, Batterien bleiben gleich schwer. 100 Kilo mehr an Bord führen bei einem 90-minütigen Flug zu 8 Liter mehr Treibstoffverbrauch. Für einen elektrisch angetriebenen Flug von Wien nach Tokio bräuchte man also statt 80 Tonnen Kerosin 5.600 Tonnen Batterien. Theoretisch.

Airbus beschäftigt sich bereits intensiv mit Wasserstoff. Aber für Wasserstoffantriebe braucht man neu konstruierte Flugzeuge mit Hochdrucktanks, die neben 300 bis 500 bar Innendruck auch den schwankenden Außendruck ohne Materialermüdung aushalten. Man braucht andere Triebwerke und Betankungssysteme. Und vieles mehr. Aber genau deshalb favorisieren Flugzeughersteller diese Antriebsart: Denn neue Flugzeuge sind ein gutes Geschäft. Besonders, wenn Gesetzgeber den Einsatz herbeiregulieren. Flugzeuge sind aber teuer und lang haltbar. Sie müssen 30 Jahre fliegen, um die Investition wieder hereinzubringen. Die derzeitige, konventionell betriebene kommerzielle Flugzeugflotte wird also noch gut 20 Jahre in der Luft bleiben müssen. So lange können wir allerdings nicht auf Wasserstoffflugzeuge warten. Wenn also E-Flugzeuge Nischenprodukte bleiben und Wasserstoffflugzeuge erst in Jahrzehnten fliegen, warum liegt so wenig Fokus auf SAFs? Weil sie seit Jahren durch Vorurteile diskreditiert werden, die auszuräumen höchste Zeit ist:

1.Sustainable Aviation
Fuels wären (zu) teuer

Das stimmt nur, wenn man die falsche Technologie einsetzt. Die meisten SAFs sind entweder Power-to-Liquid-, Waste-to-Liquid- oder Re-Oil-Kraftstoffe. Immer werden CO2 und Wasser, bei Waste-to-Liquid auch Abfall und bei Re-Oil Altplastik, mithilfe von Strom zu Kerosin umgewandelt. Bei Power-to-Liquid-Kraftstoffen wird zunächst Wasser per Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Viele erinnern sich noch an den Chemieunterricht. Die Elekrolyse war sogar im Chemiesaal recht einfach durchführbar, sie braucht aber viel Strom. Wesentlich weniger Strom, nämlich nur ein Siebentel, braucht hingegen die deutlich weniger bekannte Methanpyrolyse. Es reicht zu wissen, dass Methan ein Biogas aus einem Teil Kohlenstoff und vier Teilen Wasserstoff ist, das in Biogasanlagen in großer Menge hergestellt wird. Methan kann man viel leichter zerlegen als Wasser und daraus mit Wasser und CO2 in ein paar weiteren Schritten Kerosin machen. Dieses Verfahren heißt Power and Biogas to Liquid und braucht sehr viel weniger Strom. Nutzt man dieses Verfahren, kosten SAFs weniger als die Hälfte als sonst. Also: Erzeugt man SAFs per Power and Biogas to Liquid, sind sie kaum teurer als Kerosin zu Zeiten höherer Kerosinpreise.

2.SAFs wären ja gar nicht
zur Gänze CO2-neutral

Das ist besonders dann ein wenig wahr, wenn man die schon erwähnte Waste-to-Liquid- oder Re-Oil-Technologie verwendet. Dabei wird zum Beispiel Plastik in seine "Urform", nämlich Erdöl, zurückverwandelt. Das ist natürlich nicht CO2-neutral. Aber eine schlaue Form, Plastik zu verbrennen, ist es allemal. Das hat zweifellos seine Meriten, CO2-neutral ist es aber nicht. Ein klein wenig wahr ist es auch, wenn man für die Herstellung Strom aus Kohlekraftwerken nutzt. Jedoch gibt es selbst beim derzeitigen Strommix in Deutschland, der ja zum größten Teil aus Kohlekraftwerken kommt, bei Power and Biogas to Liquid immer noch fast 40 Prozent CO2-Reduktion. Verwendet man Strom aus Sonnenenergie, denn ist dieser Kraftstoff zu 91 Prozent CO2-neutral, selbst wenn man die benötigte Energie für die Herstellung der Anlagen mitberechnet.

3.Es gäbe nicht genug
nachhaltig erzeugten Strom

Das kann man allen Projekten entgegenhalten, die Elektrizität nutzen, vom E-Auto bis zur E-Heizung. Und es stimmt natürlich nicht. Sonnenenergie gibt es mehr als genug: Die Sonne liefert täglich 10.000 Mal mehr Energie, als die Menschheit braucht. Aber leider am falschen Ort und oft auch zur falschen Zeit. Wir haben also kein Problem von zu wenig Sonnenenergie, wir haben ein Transport- und Speicherproblem. Und genau das lösen SAFs: Sie speichern und transportieren Sonnenenergie dauerhaft und völlig verlustfrei - und das mit bestehender konventioneller Infrastruktur, mit Tankern, Pipelines und Tanklagern. Das schafft keine Batterie und auch keine Hochspannungsleitung.

4.Es werde nicht gelingen,
genug Menge herzustellen

Auch das stimmt nicht. Es sei denn, man beschränkte sich auf bestimmte Technologien wie etwa diejenige, aus alten Speisefetten Kraftstoffe zu herzustellen. So viel altes Frittierfett gibt es natürlich nicht. Aber Power-to-Liquid-Technologien nutzen Wasser und CO2 als Rohstoff, Power and Biogas to Liquid auch noch Biogas. CO2 haben wir ja bekanntlich zu viel, und das zapft man idealerweise dort ab, wo viel davon entsteht, zum Beispiel bei einem Zementwerk. Biogasanlagen suchen dringend nach Abnehmern, zumal die staatliche Förderung ausläuft, und auch so viel Wasser, wie es für die SAF-Produktion gebraucht wird, gibt es überall. Ein einziger Power-and-Biogas-to-Liquid-Reaktor produziert pro Tag etwa 12.000 Liter Kerosin und braucht dafür gerade einmal so viel Strom wie eine mittelgroße industrielle Photovoltaikanlage.

5.SAFs verbräuchten Land,
das zur Produktion von Lebensmitteln genutzt
werden sollte

Das hängt mit längst ad acta gelegten Projekten zusammen, Rapsöl als Kerosinzusatz zur verwenden. Sämtliche aktuelle Verfahren stehen nicht mehr in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion.

6.Die SAF-Technologie stecke erst in den Kinderschuhen

Das ist nun definitiv falsch. Sämtliche unterschiedlichen Verfahren - ob nun Power to Liquid, Power and Biogas to Liquid, Waste to Liquid, Re-Oil oder gar die Nutzung von gebrauchtem Frittierfett - nutzen und kombinieren (alt)bekannte physikalisch-chemische Prozesse aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Natürlich hat sich die Technologie seither weiterentwickelt, und besonders Power and Biogas to Liquid ist weit effizienter als alle anderen bisherigen Verfahren. Grundlegend neu ist an den chemischen Reaktionen nichts - die Innovation liegt in der Kombination bekannter, erprobter Prozesse in einer Anlage.

Warum also werden diese Vorurteile immer noch gepflegt? Hoffentlich aus Unwissenheit und nicht, weil SAFs, die auch für Containerschiffe, Lkw und letztendlich auch Pkw einsetzbar sind, das Narrativ für den politisch gewünschten Umstieg auf Elektroautos ebenso gefährden könnten, wie die aktuelle Stigmatisierung des Luftverkehrs zum angeblichen Hauptschuldigen am Klimawandel. Dieselautos wären plötzlich ebenso klimaneutral zu betreiben wie die Luftfahrt. Wer aber Umweltschutz als Mittel zu gesellschaftspolitischen Veränderungen ansieht, wer sich eine Welt wünscht, in der das Recht zu fliegen planwirtschaftlich verteilt wird, für den sind SAFs wahrscheinlich tatsächlich ein Ärgernis.