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CO<sub>2</sub>-Handel gegen die Ungleichheit - ein Gedankenexperiment

Von Volker Plass

Gastkommentare
Volker Plass ist Unternehmer und Bundessprecher der Grünen Wirtschaft.

Um sozialen Ausgleich zu schaffen und gleichzeitig den Klimaschutz voranzutreiben, wäre ein bedingungsloses Grundeinkommen hilfreich - aber nicht ausbezahlt in Geld, sondern in Form staatlich garantierter CO2-Emissionsrechte.


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Auf den ersten Blick ist die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens, über dessen Einführung die Schweiz diesen Sonntag in einer Volksabstimmung entscheidet, durchaus sympathisch. Die Realisierung wird aber an einem ganz praktischen Problem scheitern: Ohne massive Steuererhöhungen ist es nicht finanzierbar. Laut Schweizer Bundesrat wären neben der Umschichtung bestehender Transferleistungen umgerechnet 23 Milliarden Euro zusätzlich nötig, um das eidgenössische Modell zu realisieren.

Für viele Steuerzahler ist schon schwer verständlich, dass nicht nur Erwerbslose, sondern auch Menschen, die gar nicht arbeiten wollen, eine staatliche Alimentierung erhalten sollen. Müssten für die Finanzierung des Grundeinkommens auch noch zusätzliche Steuern eingehoben werden, wird die Idee für die meisten Bürger vollkommen inakzeptabel.

Trotzdem werden wir schon bald ein derartiges sozialstaatliches Instrument benötigen: Wenn die Wirtschaft kaum noch wächst und zunehmend Jobs durch Digitalisierung verlorengehen, müssen wir immer mehr Menschen vor dem finanziellen Absturz bewahren, für die der Arbeitsmarkt keine Verwendung mehr hat.

Unsere Wirtschaft steht in den kommenden Jahren aber noch vor einer zweiten gigantischen Herausforderung: Nimmt man das beim UN-Klimagipfel in Paris beschlossene 2-Grad-Ziel ernst, sollten unsere CO2-Emissionen bis Mitte dieses Jahrhunderts praktisch auf null sinken. Bisher ist noch keine erfolgversprechende Strategie in Sicht, mit der dieses ambitionierte Vorhaben realisiert werden könnte. Hier nur auf Vernunft oder technologische Innovationen zu vertrauen und nicht auch die CO2-Emissionen jedes einzelnen Menschen zu beschränken, wäre sehr fahrlässig.

Es ist also reizvoll, eine gemeinsame Lösung für beide Probleme zu suchen. Und da sich die Diskussion über ein Grundeinkommen ohnehin im utopisch-visionären Bereich befindet, können wir Gedankenexperimenten freien Lauf lassen: Wie wäre ein bedingungsloses Klimaschutz-Einkommen? Also kein Grundeinkommen in Form von Geld, sondern von handelbaren Rechten, die Erdatmosphäre pro Kopf und Jahr mit eine gewissen Menge CO2 zu verschmutzen?

Arme Menschen könnten ihre Emissionsrechte verkaufen

Zu diesem Zweck würde - grob vereinfacht dargestellt - die aktuell von Österreichs Privathaushalten emittierte Gesamtmenge an Treibhausgasen durch die 8,5 Millionen Einwohner dividiert, und jeder Bürger bekäme am 1. Jänner des neuen Jahres staatlich garantierte Emissionsrechte für seinen Anteil zugesprochen. Besonders CO2-intensive Produkte - Autotreibstoffe, Heizöl, Erdgas, Flugtickets . . . - müssten dann nicht nur mit Geld, sondern zusätzlich auch mit entsprechenden Emissionsrechten bezahlt werden.

Arme oder Arbeitslose, die nur über wenig Geld verfügen und wirtschaftlich gar nicht in der Lage sind, viel CO2 zu emittieren, hätten dann plötzlich dieselbe Menge an Emissionsrechten in der Hand wie Reiche. Diese wiederum würden aber wesentlich mehr als die ihnen zugeteilten Emissionsrechte benötigen, um ihr Geld auch auszugeben beziehungsweise ihren vergleichsweise aufwendigeren Lebensstil (Wochenendhaus, Zweitwagen, Flugreisen . . .) zu pflegen.

Würde nun der Staat eine Handelsplattform einrichten, auf der die Armen ihre nicht benötigten Emissionsrechte an die Reichen verkaufen können, würde im Gegenzug Geld von Reich in Richtung Arm fließen, ohne dass der Staat zusätzliche Steuern einheben müsste. Er wäre nicht mehr umverteilende Instanz, sondern müsste bloß den Handel zwischen souveränen Marktteilnehmern organisieren. Und neben dem sozialen Ausgleich fände plötzlich auch ein ökologischer statt.

Schwache Marktteilnehmer müssten geschützt werden

Natürlich steckt auch bei einem solchen System der Teufel im Detail: Der Handel müsste streng reglementiert und überwacht werden, um schwache Marktteilnehmer zu schützen und die Spekulation mit Emissionsrechten zu unterbinden. Und ein solches Klimaschutz-Einkommen müsste wohl EU-weit eingeführt werden, was aber durchaus vorstellbar wäre, weil ja alle EU-Staaten vor derselben Herausforderung stehen, ihre CO2-Emissionen zu reduzieren.

Einmal eingeführt, könnte man den Emissionsrechtehandel mit jedem Jahr ein klein wenig verschärfen, um die angestrebten CO2-Reduktionsziele fristgerecht zu erreichen. So wäre es möglich, im Laufe der Zeit weitere besonders klimaschädliche Produktkategorien - etwa Unterhaltungselektronik oder tierische Nahrungsmittel - ins System aufzunehmen. Zu jedem Jahresbeginn, wenn die persönlichen CO2-Konten neu aufgefüllt werden, könnte auch die ausgegebene Gesamtmenge an Emissionsrechten und dadurch die entsprechende Pro-Kopf-Zuteilung ein wenig sinken.

Natürlich könnten sich die Bürger auch gegen die Einführung eines solchen Systems wehren. Im Gegensatz zu einem monetären Grundeinkommen, bei dem sich der Staat bei den Wählern für zusätzliche Steuern zu rechtfertigen hätte, wäre bei einem Klimaschutz-Einkommen die Beweislast jedoch umgekehrt: Da die Erdatmosphäre allen Menschen zu gleichen Teilen gehört und in einer Marktwirtschaft auch dieses Eigentum absoluten Schutz genießen sollte, müssten plötzlich die Reichen erklären, womit sie ihr vermeintliches Recht begründen, das Klima um ein Vielfaches stärker zu schädigen, als es die Armen tun. Und genau dafür gibt es keine vernünftigen Argumente.