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CO<sub>2</sub>-Reduktion: Selbst 60 Prozent genügen nicht

Von Karl Aiginger

Gastkommentare

Die Klimaziele nachschärfen - die Wirtschaft durch Innovation beleben.


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Die Wälder brennen in Australien, Brasilien, Kalifornien. Die Arktis wird eisfrei, und in den Voralpen kann man nur noch dank Schneekanonen Skifahren. Populisten leugnen den Klimawandel, Optimisten sehen eine letzte Chance, ihn zu stoppen. Europa reagiert zu langsam, das Ziel, die Emissionen zwischen 1990 und 2030 um 40 Prozent zu reduzieren, war deutlich zu gering mit weniger als 1 Prozent pro Jahr. Jetzt will die EU-Kommission das Ziel auf 50 bis 55 Prozent erhöhen, das EU-Parlament fordert sogar 60 Prozent. Aber auch das ist noch zu wenig,

Klimaneutralität bis 2050 (EU-Ziel) oder 2040 (Regierungsprogramm in Österreich) braucht minus 80 Prozent oder minus 95 Prozent, je nach Wirtschaftsdynamik, Aufforstung oder anderen Senkungen. Und wenn es dann noch "ein letztes Mal passiert", wie die österreichische Klimaschutzministerin hofft, dass die Emissionen im Jahr 2019 gestiegen sind, dann sieht man, dass "Feuer am Dach" ist. Jeder Kauf eines neuen Autos mit Verbrennungsmotor macht die Zielerreichung schwieriger.

Schon wird wieder diskutiert, ob wir nicht heute mit der Covid- und Wirtschaftskrise "Dringenderes" zu tun hätten, als in Klimapolitik zu investieren, oder ob diese Investitionen leistbar sind. Wohnen solle ja billiger werden, über Heizen und Dämmen denken wir morgen nach. Und jetzt braucht Österreich ja Geld für Firmen, die Verluste machen, ob Fluglinien, die Bahn oder Fabriken zur Herstellung von Diesel-Lkw. Und wir haben zu wenige Lehrerkräfte und Psychologen für Integration.

Klimapolitik ist Sozialpolitik

Ja, wir brauchen Geld, aber nur für Dinge, die unsere Zukunft verbessern, den Klimawandel bremsen, neue Technologien und bessere Medikamente. Der Klimawandel ist das denkbar unsozialste Ereignis: Ärmere Schichten leben in ungesunder Luft, machen keinen Urlaub, arbeiten in Fabriken. Sie sind weniger gesund und sterben früher; die Zahl der Klima- und Hitzetoten ist höher als jene der Opfer im Straßenverkehr. Ohne hohe Subvention können ärmere Haushalte nicht abdichten, das Heizsystem wechseln.

Klimapolitik ist Sozialpolitik. Wenn die Subventionen für Großgrundbesitzer auch im Agrarbereich und für fossile Brennstoffe abgebaut würden, könnten neben den notwendigen Investitionen auch noch die Sozialabgaben und Steuern im Niedriglohnbereich und für Ein-Personen-Unternehmen gesenkt werden.

Ja, die Wirtschaft braucht Geld zum Investieren. Es zeigt sich, dass Unternehmen, die den Klimawandel einplanen und bei Alternativen führend sind, profitabler sind. Sie exportieren, was die Menschen morgen brauchen. Die Finanzmärkte belohnen zunehmend Klimaambitionen und bestrafen fossile Widerstandsnester. Der Leader hat die Vorteile, der Nachzügler gesundheitliche und wirtschaftliche Kosten.

Klimapolitik ist Zukunftspolitik, eine Reduktion der Emissionen um 60 Prozent in 40 Jahren in einem Sektor, der vielleicht die Hälfte der Wirtschaftsleistung ausmacht, ist noch immer wenig. Sie muss ergänzt werden durch höhere Emissionspreise. Und der Emissionshandel muss auf Luftfahrt, Schiffe und Landwirtschaft ausgeweitet werden. Stadtteile (in Wien bis zum Gürtel) müssen autofrei werden, in den Kindergärten und Schulen muss der Anteil von Zucker und Fleisch in Ernährung und Getränken stark sinken. Die Schanigärten müssen mit alternativen Methoden statt "Heizschwammerln" bei Kälte attraktiv werden. Das Klimaschutzministerium könnte einen Wettbewerb ausschreiben, und die besten Lösungen belohnen.

Klimapolitik ist kein Gegensatz zu Sozial- oder Wirtschaftspolitik, sie kann Motor der Erholung nach der Krise werden. Österreich könnte auf Basis der verfügbaren Technologie, des Wissens und Willens eine Vorreiterrolle einnehmen, die Wirtschaft beleben und das Wohlbefinden weiter erhöhen. Trotz Corona, durch Unterstützung einer ambitionierten europäischen Klimapolitik.