Die EU muss Freihandel und Klimaschutz unter einen Hut bringen.
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Die neue EU-Kommission hat die schwierige Aufgabe, die Freihandelsagenda mit ihrer ambitionierten Klimaschutzagenda übereinzustimmen. Der ambitionierte Anspruch der Europäischen Union, ein Vorreiter im Klimaschutz zu sein, kann ohne Handelsbeschränkungen negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie haben. Da es keinen globalen Preis für CO2 gibt, China seine Emissionen im Rahmen des Pariser Klimaabkommens bis 2030 steigern wird und die USA sich im Ausstieg befinden und seit 2016 bereits 95 Umwelt- beziehungsweise Emissionsstandards aufgeweicht oder aufgehoben haben, besteht die Gefahr des sogenannten grünen Paradoxons. Dieses besagt, dass gut gemeinte unilaterale CO2-Reduktionsmaßnahmen zu einem globalen Anstieg der Emissionen führen können. Das kann passieren, indem Produktion oder Investitionen in Länder mit niedrigeren Emissionsstandards verlagert werden, um heimische Klimaschutzmaßnahmen zu umgehen. Produkte werden "schmutziger" produziert und reimportiert. Dieser Vorgang ist statistisch schwer nachweisbar. Trotzdem gibt es neben der ökonomischen Einsicht, dass Produktion langfristig in Regionen mit niedrigeren Produktionskosten abwandert, Studien, die zeigen, dass das Kyoto-Protokoll für einen signifikanten Teil der bisherigen Produktionsverlagerung verantwortlich ist. Der im Emissionshandelsystem eingebaute Schutz vor einer Verlagerung, die Vergabe von Gratiszertifikaten, kann langfristig nicht im aktuellen Ausmaß aufrechterhalten werden.
Als Lösung wird die Einfuhr von Klimazöllen genannt. Das Prinzip ist einfach: Aus Drittstaaten importierte Güter sollen gemäß des in ihrer Produktion entstandenen CO2 an der EU-Außengrenze verzollt werden. Dieser Vorschlag ist aus Sicht der EU-Freihandelsagenda problematisch, da nicht WTO-kompatibel und auch nicht praktikabel.
Die Lösung findet sich in Artikel II (2) und Artikel III (2) des GATT, die besagen, dass ein WTO-Mitglied berechtigt ist, auf importierte Produkte dieselbe Steuer einzuheben wie auf heimisch produzierte. Das Emissionshandelsystem muss also in eine produktbasierte "Quasi-CO2-Steuer" transformiert werden, indem für den CO2-Zertifikatspreis innerhalb des Emissionshandelsystems eine enge Unter- und Obergrenze eingeführt wird. Die Untergrenze könnte als Steuersatz für Importe verwendet werden. Die Produktbasiertheit wäre aufgrund der Instrumente innerhalb des Emissionshandelssystems jetzt schon möglich. Es würde sich somit um einen EU-Grenzsteuerausgleich handeln. Dieser ist WTO-kompatibel, schützt die heimische Industrie und könnte als Eigenmittel für das EU-Budget verwendet werden.
Die nationalen Beiträge zum EU-Haushalt könnten verringert werden, was den Regierungen Spielraum ließe, andere Steuern (etwa auf Arbeit) zu reduzieren. So könnte Österreich damit einen Teil der geplanten Steuersenkungen nachhaltig gegenfinanzieren. Ein CO2-Grenzsteuerausgleich der EU löst den Widerspruch zwischen Freihandel und unilateralem Klimaschutz, schützt die Industrie, entschärft die leidige Nettozahlerdebatte und gibt den Regierungen mehr Spielraum zur Finanzierung ihrer Politik.
Eine Langfassung des Textes ist als Policy Brief der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) erschienen: www.oegfe.at/policybriefs