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Das Autokino wurde mehrfach totgesagt - aber es wehrt sich. | Nostalgie, Cineasten und der Charme des Unter-sich-seins. | Die Digitalisierung als Damoklesschwert über den letzten Autokinos.
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Kaum wo ist man so sehr das, was man fährt: Vom Fiat 500 bis zur bemalten Corvette ist alles da. Manche bestehen trotz frischer Temperaturen auf dem Cabrio, manche schätzen die Privatheit eines Platzes ganz hinten. Manche stellen stolz den tiefergelegten Dreier zur Schau. Manche haben den Kindersitz mit dem schlafenden Nachwuchs belegt, bei manchen ist die Rückbank auch durch den Heimzoo okkupiert. Es ist eine bunte Mischung, die sich hier, im Autokino Center Groß Enzersdorf, im Publikum versammelt hat.
Und sie alle sind froh, dass sich manchmal Meldungen über das Ableben als verfrüht herausstellen. So auch beim Fall des Autokinos, das vor wenigen Wochen das "Aus" verkünden musste - nun aber doch vorerst gerettet zu sein scheint. Die Gemeinde hatte vorher eine geplante, saftige Erhöhung der Vergnügungssteuer zurückgenommen, die das Ende dieser Institution in Österreich bedeutet hätte. Nun darf "Kung Fu Panda" Po wieder über die 525 Quadratmeter große Leinwand turnen, während sich ein paar Dutzend Autos zwanglos auf dem Areal aufgestellt haben.
Zumindest diese Saison ist in trockenen Tüchern. Doch darauf verlassen, dass das auch so bleibt, kann man sich nicht. Denn das Autokino an sich muss den Sprung vom Anachronismus zum coolen (gleichwohl wie praktischen) Nostalgie-Spektakel erst noch schaffen. Das Kino im Norden Wiens ist in Österreich das letzte seiner Art. Auch in Deutschland gibt es nur mehr knapp zwei Dutzend dieser Institutionen, während in den USA das große Schlachten unter den 4000 Autokinos, die es noch in den Fünfziger Jahren gab, längst vorüber ist. Lediglich noch vereinzelt gibt es sie - die meisten wurden von den rasch wachsenden Städten geschluckt: Platz am Stadtrand ist teuer. Und ein Autokino braucht sehr viel Platz.
Das Autokino selbst ist ein lebendiges Stück Filmgeschichte. Und es gilt als so amerikanisch wie kaum eine Lustbarkeit. Man ist in der Öffentlichkeit, aber doch unter sich. Es ist billig vor allem für Familien, und man muss dafür keinen Meter zu Fuß gehen. Es passt zum American Way of Life - schnell, unkompliziert und vor allem mit dem eigenen Auto. Das gibt ein Gefühl von Freiheit und Individualität. Egal ob man mit dem schnittigen Mustang oder dem Traktor anrollt - wie jener Zuschauer, der auf dem Anhänger extra die eigene Couch mitführte.
Inhalt? Welcher Inhalt?
Den Familien-Aspekt schätzte auch die Familie Feuerstein, in deren Trailer die gesamte Sippschaft samt Dino mit Freds Auto im "Drive-in" anrückt. Alleine der "Lover’s Lane" genannten letzten Reihe, in deren Privatheit sich junge Pärchen gerne zurück zogen, wurden unzählige Denkmäler gesetzt. So riefen die Beach Boys 1964 in einem Song dazu auf, nicht allzu sehr auf die Handlung, dafür aber mehr auf die Begleitung zu achten: "Forget about the plot, it’ll do very well/But make sure you see enough so you’re prepared to tell/About the Drive-In!"
Doch wie vielen Institutionen hat der Fortschritt auch dem Autokino das Messer angesetzt. Die Digitalisierung des Kinos ist für die Branche ein noch größeres Problem als bei normalen Kinos. Denn für die riesigen Projektoren gibt es kaum geeignetes digitales Equipment. 500.000 Euro kostet es etwa, das Kino bei Wien mit seinen drei Freiluft-"Sälen" umzurüsten, sagt deren Besitzer Franz Lampesberger: "Wie wir das als Saisonbetrieb ohne Förderungen jemals schaffen sollen, ist mir schleierhaft." Die Gefahr dabei ist, dass mit der fortschreitenden Digital-Technik bald keine Kopien mehr für die derzeit in Verwendung befindlichen 35-mm-Projektoren mehr gibt, was das tatsächliche Aus bedeuten könnte.
Mit Wehmut erinnert sich Lampesberger an legendäre Premieren, die in seinem "Haus" stattfanden, etwa die "Armageddon"-Premiere, für die extra ein Luftangriff auf das Autokino nachgestellt wurde. Dazu kommt, dass durch die Sommerzeit der Beginn der Filme erst sehr spät angesetzt werden kann: 21.30 Uhr - vorher ist es einfach nicht finster genug. Lediglich eine Vorstellung gibt es daher pro Abend, ein grober Nachteil gegenüber anderen.
Doch es ist nicht alles zu spät, weil sich in den USA gerade ein neuer Trend etabliert: Das Do-it-yourself-Autokino - in leeren Parkhäusern oder auf unbenutzten Gstetten. Dank billiger LCD-Projektoren und aufblasbarer Leinwänden ist dort sogar schon wieder von einem "Revial" des "Drive-in" die Rede. Die Legende verweigert das Jenseits.