Die Niederwerfung des "Prager Frühlings" durch die Sowjet-Intervention 1968 und die verschiedenen Blickwinkel auf dieses Ereignis waren Thema eines Symposions der Landesverteidigungsakademie. Historiker und Zeitzeugen waren bemüht, die zahlreichen "Legenden und Missverständnisse", die es in diesem Zusammenhang gibt, zu widerlegen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 21 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Häufig missinterpretiert werde etwa die damalige Rolle der USA, so der Wiener Historiker Felix Schneider: Die Vereinigten Staaten hätten 1968 nicht "versagt", wie dies vorgeblich auch im Fall des Ungarn-Aufstands 1956 der Fall gewesen sein soll. Vielmehr hätte die westliche Supermacht damals schlicht und einfach innen- wie außenpolitisch andere Prioritäten gehabt. So sei man jener Tage in Washington vor allem an Entspannung im Kalten Krieg interessiert gewesen, Abrüstung und Atomwaffensperrvertrag waren damals aktuell. Keinesfalls wollte man sich mit der UdSSR in der CSSR-Frage anlegen. Dazu banden außenpolitisch die missliche militärische Lage in Vietnam, innenpolitisch die Ermordung des Bürgerrechtlers Martin Luther King die Aufmerksamkeit Washingtons.
Der tschechische Historiker und Zeitzeuge Vaclav Kural ging unter anderem der Frage nach, ob sich die Tschechoslowakei damals militärisch hätte wehren können. Dieswerde in Tschechien bis heute bisweilen sehr emotional diskutiert. Die staatliche Führung unter Alexander Dubcek hätte jedenfalls nicht zum militärischen Widerstand gegen die Sowjets aufgerufen. Die Armee sei viel schwächer als die sowjetische und auf Feinde im Westen ausgerichtet gewesen. Für eine "Umgliederung" sei keine Zeit geblieben, so Kural.
Mit Spannung erwartet wurden auch die Ausführungen des ehemaligen Leiters des Nachrichtenamtes im Wiener Verteidigungsministerium, General Alexander Buschek. Buschek erklärte, seiner Behörde sei vor der Okkupation klar gewesen, "dass es sich um eine Warschauer-Pakt-interne Angelegenheit" handle. Es habe keine Anzeichen gegeben, dass sich der Konflikt (nach Österreich) ausweiten würde.
NATO-Intervention von Moskau befürchtet?
Der Historiker Vojtech Mastny bereicherte die Diskussion um eine These, die zwar "nicht gesichert" sei, die man aber trotzdem "im Hinterkopf" haben müsse. Demnach habe die militärische Führung in Moskau nicht ausschließen wollen, dass auch NATO-Truppen in die CSSR einmarschieren könnten. Sow-jetische Offiziere seien angewiesen worden, schnell in das Landesinnere vorzurücken, um die potentielle Demarkationslinie möglichst weit nach Westen zu verlegen.