Wenig Unterschied zwischen SPD- und CSU-Forderungen. | Alle Parteien wollen CSU-Alleinherrschaft beenden. | Berlin. Am gleichen Tag wie Österreich den Nationalrat wählt Bayern einen neuen Landtag. 9,2 Millionen Franken, Schwaben und Bayern sind eingeladen, über die 180 Abgeordneten zu entscheiden. Die alles entscheidende Frage dabei ist, ob die Christlich Soziale Union (CSU) ihre seit 46 Jahren unangefochtene Alleinregierung fortführen kann. Erstmals seit 1962 muss sie mit einem Wahlergebnis unter der magischen 50 Prozent-Marke rechnen.
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Welche Zitterpartie in den nächsten zwei Tagen auf sie zukommt, zeigen zwei Umfragen. Hatte das Institut "forsa" die CSU zuletzt noch bei 50 Prozent gesehen, so prognostizierte "infratest-dimap" nur noch 47 Prozent.
Beide Ergebnisse würden zwar knapp für ein alleiniges Weiterregieren reichen, das Wahlziel der Christsozialen, die immer noch von einem "50 plus x" sprechen, wäre verfehlt. In jedem Fall ist mit enormen Verlusten zu rechnen, hatte doch die CSU bei der letzten Wahl im September 2003 das Traumergebnis einer Zweidrittelmehrheit (68,9 Prozent) erzielt. Keine andere demokratische Partei hat jemals in einem Verhältniswahlrecht derartige Werte erreicht.
Waren im bisherigen Landtag nur CSU, SPD und Grüne vertreten, könnte das Bild nach dem 28. September bunter werden. Insgesamt 14 Parteien und Gruppierungen stehen zur Wahl. Die SPD pendelt in der Demoskopie um die 20 Prozent, also etwa bei ihrem letzten Wahlergebnis, dem schlechtesten in der Nachkriegsgeschichte. Die Grünen, seit 22 Jahren im Landtag, würden wieder bei ihrem alten Ergebnis landen, etwa um die neun Prozent. Die Linkspartei hingegen würde knapp an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern.
Gute Chancen rechnet sich diesmal die FDP aus, die mit acht Prozent der Stimmen nach 14 Jahren den Wiedereinzug schaffen könnte. Gespannt kann man auf die Stimmen für die "Freien Wähler" sein, für die die CSU-Renegatin Gabriele Pauli antritt. Die Meinungsforscher geben ihnen sieben Prozent, womit sie erstmals im Münchner Landesparlament vertreten wären.
Doch das letzte Wort haben die Wähler. Und davon sind laut Landeswahlleiter etwas mehr als die Hälfte (4,8 Millionen) Frauen. Insgesamt 2,9 Millionen der Wahlberechtigten sind über 60, nur 400.000 unter 21 Jahre alt.
Beim "historischen" TV-Duell (das erste in der Geschichte Bayerns) zwischen Titelverteidiger Beckstein und seinem Herausforderer Franz Maget von der SPD sagte der Moderator: "In Bayern tobt ein themenloser Wahlkampf". Kein Wunder, weil das größte deutsche Bundesland in fast allen Parametern an der Spitze liegt: Die besten Universitäten, die klügsten Schüler, die wenigsten Arbeitslosen, die wenigsten Verbrechen und die höchste Aufklärungsrate aller Länder. Auch die Finanzen sind mustergültig: Bayern macht seit drei Jahren keine neuen Schulden mehr, sondern zahlt alte zurück. Wenig Angriffsfläche also.
Das überhastete Vorgehen der CSU-Landesregierung bei der Einführung des achtjährigen Gymnasiums wurde wohl thematisiert, ebenso die Turbulenzen um die Bayerische Landesbank. Wirklich heiß ging es aber nur bei der geplanten dritten Startbahn für den Münchener Flughafen her. Hier regt sich Widerstand bei den betroffenen Anwohnern und Grün-Beseelten. Sie lieferten Beckstein ein Pfeifkonzert, was ihn dazu trieb, sie als "Pfeifenköpfe" zu bezeichnen.
Ein Lozelach der bayrischen Art war die Kontroverse um Becksteins Äußerung, ein "g´standenes bayrisches Mannsbild" könne auch nach zwei Maß Bier - gezischt in sieben Stunden - noch Autofahren. Ob sich die Empörung der gesammelten Opposition im Mutterland des Bieres wahlentscheidend auswirkt, wird abzuwarten sein.
Und Sachkontroversen? Wo genau der Unterschied zwischen der CSU-Forderung nach Wiedereinführung der vollen Pendlerpauschale oder der SPD-Forderung nach einem "Pendlergeld" liegt, ist kaum zu erkennen. Höchstens, dass der SPD-Vorschlag das bayrische Landesbudget belasten würde, während die CSU das Zahlen lieber dem Bund überließe.
Viele Jäger sinddes Hasen Tod
Auch in der Bildungspolitik geht es um kaum unterscheidbare Nuancen: Mehr Lehrer, bessere Durchlässigkeit des Schulsystems, mehr Bildungschancen für Kinder aus armen Familien. Die SPD verlangt "mehr Bildungs-Gerechtigkeit", die CSU weist darauf hin, dass heute bereits 40 Prozent der Uni-Studenten auf anderem Wege als über das Abitur (Matura) an die Hochschule gekommen sind.
Doch werden diese Wahlen stärker von Stimmungen und Emotionen beeinflusst als von Sachfragen. Dass ein "anständiger Bayer CSU wählt" (Beckstein) hat dem SPD-Button "Ich bin ein unanständiger Bayer" reißenden Absatz beschert.
Alle Parteien in Bayern - von Rechts über Mitte bis Links - sind sich in einem Punkt völlig einig: Sie wollen die absolute Mehrheit der CSU brechen. Und noch nie zuvor standen die Chancen dafür so gut.
Auch Gabriele Pauli ist nicht zu unterschätzen, weniger ad personam, sondern als Metapher für "zarte Frau gegen brutale Männer" und "David gegen Goliath". In einer Zeit, in der Wahlschlachten in erster Linie auf dem Feld der Gefühle ausgefochten werden (siehe Obama und Palin in den USA), sind solche Ikonen auch jenseits ihrer politischen Kompetenz besonders wirkmächtig.
Eine Mehrheit der Bayern lehnt inzwischen die Alleinregierung einer Partei ab. Und dass gegen das Argument "fünfzig Jahre sind genug" kein Kraut gewachsen ist, hat Altkanzler Helmut Kohl schon nach 16 Jahren schmerzlich erfahren müssen.
SPD-Chef Maget meint, es würde der Demokratie gut tun, wenn die CSU die Arroganz der Macht abzulegen gezwungen wäre. Beckstein kontert, einen Steuerberater wechsle man nicht deshalb, weil er bisher gute Arbeit geleistet habe.