US-Präsident George W. Bush will seine heute in Rom beginnende Europa-Reise aus Anlass des 60. Jahrestags der Invasion der Alliierten in der Normandie auch dazu nützen, Unterstützung für seine heftig umstrittene Irak-Politik zu gewinnen. Dabei wird er Europa wohl daran erinnern, dass es seine Freiheit vor allem dem entschlossenen Kampf Amerikas gegen die Diktatur zu verdanken hat. In einer Rede in Colorado hatte er bereits den Kampf der USA gegen den Terrorismus mit Amerikas Mission im Zweiten Weltkrieg verglichen.
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Gleich nach seiner Ankunft in Rom trifft Bush einen der vehementesten Kritiker des Irak-Kriegs: Papst Johannes Paul II. Bush muss sich wohl auch auf kritische Worte zum US-Feldzug und vor allem zum Skandal um Misshandlungen irakischer Gefangener einstellen. Der Papst hatte in der Vorwoche öffentlich jede Art von Folter gebrandmarkt, auch wenn er den Irak nicht ausdrücklich erwähnte.
Am frühen Nachmittag steht ein Treffen Bushs mit Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi und Ministerpräsident Silvio Berlusconi, einem der treuesten Verbündeten im Irak-Krieg, auf dem Programm. Der Tag ist symbolträchtig, hatten die Alliierten doch vor genau 60 Jahren Italiens Metropole von Hitlers Truppen befreit.
Bushs Visite ist von massiven Sicherheitsmaßnahmen begleitet, die Angst vor Terroranschlägen ist enorm. Die über 10.000 zusätzlich abgestellten Sicherheitskräfte werden auch damit beschäftigt sein, Proteste der Kriegsgegner in Zaum zu halten. Gewalttätige Aufmärsche von Anarchistengruppen sind nicht ausgeschlossen. Diese haben bereits angekündigt, dass sie heute versuchen wollen, in die "rote Zone" im Zentrum der Stadt einzudringen, um Bushs Konvoi auf dem Weg zum Papst und zu Berlusconi zu stören.
Bereits gestern kam es in Rom kam zu Protestaktionen pazifistischer Gruppen, die Parolen und Fahnen an die Brücken der Stadt hängten. In Anlehnung an die Misshandlungsbilder aus dem Irak zogen sie eine schwarze Kapuze über die Statue eines Engels. "Befreit Rom von Bush", stand auf einem Transparent.
Auch in Paris, wo Bush am Samstag mit Staatspräsident Jacques Chirac zusammentrifft, bevor er am Sonntag gemeinsam mit 16 weiteren Staats- und Regierungschefs in der Normandie der Landung der Alliierten vor sechs Dekaden gedenken wird (D-Day), wird ihm der kalte Wind der Irak-Kriegsgegner entgegenblasen. Für Samstag ist eine Großdemonstration angesagt. Anders als in Italien wird Bush in Frankreich auch auf hoher Ebene mit Antipathien bezüglich seiner Irak-Politik konfrontiert sein. Zwar stimmte Gastgeber Chirac im Vorfeld der D-Day-Feiern gegenüber dem US-Präsidenten versöhnliche Töne an - "trotz unserer unterschiedlichen Auffassungen gab es zwischen uns nie Streit (in der Irak-Frage)" - an seiner Haltung ändert dies aber nichts. Chirac verweigert den USA ebenso wie Deutschland die für Bush innenpolitisch wichtige Zustimmung für den bereits abgeschwächten UN-Resolutionsentwurf, der die Übergabe der Macht an die am Dienstag ernannte irakische Übergangsregierung völkerrechtlich ebnen soll, da sie ihm nicht weit genug geht. Diese Position aufzubrechen ist eine Hoffnungen, die Bush in seinen Europa-Aufenthalt setzen dürfte.
In einer indirekt an die Adresse Chiracs und Gerhard Schröders gerichtete Rede vor Graduierten der Luftwaffen-Akademie in Colorado Springs, die er knapp vor seinem Abflug hielt, verglich Bush den Kampf Amerikas gegen den internationalen Terrorismus denn auch mit der Mission der USA im Zweiten Weltkrieg und pries die Früchte der Demokratie. Zugleich wies er Vorwürfe von Kritikern zurück, der Militär-Einsatz der USA im Irak habe in der moslemischen Welt zu einer Radikalisierung und damit zur globalen Instabilität geführt. Es sei nun an der Zeit, zusammen für die gemeinsamen Werte einzutreten, auch wenn man unter Freunden durchaus nicht immer einer Meinung sein müsse, fügte er im Magazin "Paris Match" noch hinzu.