Wifo-Vizechef Scheiblecker glaubt, dass die Wirtschaft noch stärker als prognostiziert wachsen wird.
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Wien/Brüssel. Die Regierung kann ihre Arbeit in einer Phase der Hochkonjunktur beginnen. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) geht für heuer von einem Wachstum von drei Prozent aus. Allerdings rechnet der stellvertretende Leiter des Wifo Marcus Scheiblecker damit, dass das Wachstum eher noch höher ausfallen wird. "Da ist durchaus noch mehr drin", sagte er im Gespräch mit der "Wiener Zeitung", weil die Wirtschaft nach wie vor sehr gut laufe und bisher anders als bei den den Prognosen zugrunde gelegten Annahmen keine Abschwächung eingetreten sei. "Die drei Prozent sind nicht der oberste Plafond."
Unterstützt wird diese Annahme auch durch Zahlen der EU-Kommission, die am Montag veröffentlicht wurden. Die europäischen Unternehmen schätzen das Geschäftsklima so hoch wie seit 33 Jahren nicht. Auch das Wirtschaftsklima konnte sich in der EU und in der Eurozone im Dezember 2017 neuerlich verbessern. Dabei konnte Österreich die drittstärkste Steigerung (von 116,7 auf 120,1 Punkte) einfahren. Die Eurozone liegt bei 116 Punkten.
Optimismus bei Gewerbe- und Handwerksbetrieben
Positiv starten auch Österreichs Gewerbe- und Handwerksbetrieben in das Jahr 2018. Bis Jahresende will die Sparte auf 740.000 Beschäftigte wachsen, das wären 10.000 mehr als aktuell. Die Unternehmer schätzen die Geschäftslage deutlich besser ein, sagte Thomas Oberholzner von der KMU Forschung Austria am Montag in einer Pressekonferenz.
Österreichs Wirtschaft ist bereits im Vorjahr real um 3,2 Prozent gewachsen und damit so stark wie seit zehn Jahren nicht. Eine internationale Studie zeige, dass Abschwünge, die mit einer Finanzkrise verbunden sind, besonders hartnäckig sind und rund zehn Jahre - in unserem Fall neun Jahre - dauern, erklärt Scheiblecker. Man habe schon befürchtet, dass es mit Wachstumsphasen überhaupt ein Ende habe. "Da hat man sich getäuscht. Die Konjunktur ist wieder da - kräftiger als zuvor." Es laufe überall gut, über alle Branchen hinweg. Die Umfragen unter Unternehmen seien ebenso gut wie jene unter Privathaushalten. In beiden Bereichen herrsche beste Stimmung, es werde überhaupt nicht gejammert - und das zeige, wie gut es laufe.
Erlebt Österreich also eine Situation, in der die Regierung keine lenkungstechnischen Maßnahmen ergreifen muss? Nein, antwortet Scheiblecker. Auch in Deutschland, wo die Regierung nach den Wahlen vom September nur interimistisch die Geschäfte führt, laufe es gut. Strukturell gebe es aber für die Regierung einige Aufgaben, die zu lösen sind. Für die Konjunktur brauche man derzeit aber nichts zu machen.
Das sei vermutlich auch der Grund, warum die Koalition den Beschäftigungsbonus abgeschafft habe. Wobei das Wifo grundsätzlich für den Bonus gewesen sei, dieser sei aber zu spät realisiert worden, nämlich erst als der Konjunkturmotor schon wieder angelaufen sei. Er habe daher nun Verständnis dafür, dass diese Maßnahme beendet wird.
Problem bleibt die hohe Arbeitslosigkeit
Das einzige Problem, das leider auch die gute Wirtschaftslage nicht beheben könne, sei die hohe Arbeitslosigkeit. Die Beschäftigung steige zwar, aber es gebe einen sehr hohen Zustrom auch aus dem Ausland auf den Arbeitsmarkt. Der Ökonom befürchtet, dass bei einem Abflachen der Konjunktur ab 2019/20 der Arbeitslosensockel immer noch hoch sein wird und dann aber neue Arbeitslose hinzukommen. Das Problem seien die vielen Menschen, die nicht ausreichend ausgebildet sind und oft keine Ausbildung über die Pflichtschule hinaus besitzen. "Es fehlt an qualifiziertem Personal", sagt Scheiblecker.
Und da kämen dann sehr wohl notwendige Reformen ins Spiel: Die Regierung müsse massive Strukturreformen im Bildungsbereich umsetzen. Vor allem bei der Sprache sei anzusetzen. Und der Wifo-Experte rät auch zu einer gesamtstaatlichen Strukturreform des Steuersystems, die ökologische und soziale Schwerpunkte setze. Als dritten wichtigen Bereich für eine Strukturreform nennt der Ökonom das Gesundheitssystem.