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"Da machen wir nicht mit"

Von Ina Weber

Politik
Der neue Markhof bietet Platz für die Schule von rund 50 Kindern und Jugendliche n von 6 bis 18 Jahren.
© Simon Rainsborough

Im 3. Bezirk eröffnet am Mittwoch der "Markhof" seine Tore: Lernen jenseits der Regelschule, neue Coworking-Flächen und Gemeinschaftsräume an einem Ort.


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Wien. Er hat schon die Schraubenfabrik ins Leben gerufen und den Rochuspark. Und jetzt eröffnet er ein drittes Projekt: den Markhof. Stefan Leitner-Sidl ist nicht nur umtriebiger Gründer von Coworking-Plätzen und damit auch Stadtentwickler, sondern er ist auch Vater von drei Söhnen. Gemeinsam mit Roland Dunzendorfer und Florence Holzer hat er vor zwei Jahren den Verein Colearning ins Leben gerufen. Ein Zusammenschluss von Eltern, die ihren Kindern eine Alternative zur "normalen Schule" bieten wollten.

Heute, Mittwoch, eröffnet das neue Zuhause des Vereins in der Markhofgasse 19 im 3. Bezirk. Auf einer Fläche von 2200 Quadratmetern soll dort etwas Neues entstehen - ein Dorf in der Stadt, wie die Betreiber es nennen. Damit wird zusammengeführt, was bis jetzt zwar stattfand, aber meist an unterschiedlichen Orten: riesige Coworking-Flächen für ein gemeinsames Arbeiten, eine alternative Schule für 6 bis 18-Jährige, ein Café, ein Gemeinschaftsgarten, eine Foodcoop, ein Seminar- und Eventzentrum.

Die Renaissance des Gemeinschaftlichen in der anonymen Stadt und der Spruch "Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen" ist nicht neu. Auch nicht die Idee der von Eltern geführten alternativen Schulen oder des häuslichen Unterrichts. Dennoch gibt es Unterschiede. "Wir haben keine Lehrer engagiert, sondern Lernbegleiter. Diese müssen gar keine Pädagogen sein. Bei uns wird nicht unterrichtet, sondern es werden Lernprozesse begleitet", sagt Leitner-Sidl zur "Wiener Zeitung". Das Konzept basiere auf bekannten und neueren pädagogischen Konzepten wie etwa dem sogenannten Lais-Konzept. "Wenn du in einer Gruppe eine angstfreie Atmosphäre herstellst, diese begleitest, dann kommen die Lernenden in ein Art Flow, dann geht das Lernen extrem schnell, sodass du als Erwachsener kaum mitkommst", so Leitner-Sidl.

35 Kinder zwischen 6 und 16 Jahren übersiedeln von der Hofmühlgasse im 6. Bezirk in den Markhof. Die Lerngruppen sind somit altersgemischt, gelernt wird von Montag bis Donnerstag von 8 bis 17 Uhr. Hausaufgaben gibt es keine. Die Prüfungen absolvieren die Kinder als Externisten in anderen Schulen. "Somit ist sichergestellt, dass sie am Ende mindestens so viel können wie alle anderen auch", so der Mit-Gründer.

"Zynische Trennung" in Mittelschule und Gymnasium

"Ich habe es selbst bei meinem Kind erlebt. Das Leid in der Regelschule, die Konditionierung, wo es nur darum geht, dass Sachen gelernt werden müssen, weil es im Lehrplan so steht", sagt Leitner-Sidl. Außerdem soll die neue Schulform die "zynische Trennung" in Mittelschule und Gymnasium vorwegnehmen. "Da machen wir nicht mit", sagt der Vater. "Von überall haben wir gehört, dass das Gymnasium nur noch ein einziger Stress ist.

Mit dem Dorf-Gedanken sollen die Kinder von den älteren Kindern lernen und von den Erwachsenen. Mit dem Markhof sind die Schüler an einem Ort, wo auch viele Erwachsene arbeiten. "Kinder lernen nicht nur von Lehrern, sondern auch von den Anwendern, die sie hier gleich bei der Seite haben. Das wollen wir im Markhof schaffen, einen Ort, wo viele Praktiker arbeiten."

"Die Kinder lernen von, mit, über und durch die anderen", sagt auch Mit-Gründerin Florence Holzer. Deshalb beherbergt der Markhof auch die Colearning Akademie, ein Aus- und Weiterbildungszentrum zu den Themen "Neues Lernen" und "Gemeinschaftsbildung". Die Software zur Colearning-Methode soll möglichst viele Menschen erreichen.

"Meine Tochter war sehr unglücklich in ihrer Volksschule", erzählt eine Mutter. Dabei habe sie sie ohnehin schon in eine Mehrstufenklasse gegeben. Aber das habe nicht funktioniert. "Da hat es schon in der ersten Klasse geheißen: Ihr Kind kann nicht so gut lesen wie die anderen", sagt sie. Oder die Mutter hörte von den Lehrern Aussagen wie "Mädchen sind in Mathematik schlechter als Buben". Das wollte sie nicht mehr und gab ihre Tochter vor zwei Jahren in die neue Colearning-Schule in der Hofmühlgasse.

Die Regelschule istfür Eltern zu starr

Die Schule arbeitet mit Schaubildern, das heißt etwa, dass zu einer bestimmten Frage oder Aufgabenstellung gemeinsam Bilder gestaltet werden, die dann besprochen und erweitert werden. "Was ist Mathematik?" lautet eine Aufgabenstellung etwa oder "Was ist Geschichte?" Wochenlang werde dann mit Leidenschaft an einem Thema gearbeitet.

"Kinder sind sehr unterschiedlich", sagt die Mutter, "auch von ihrem Lerntempo her. Es gibt Kinder, die dieses starre Gerüst der Regelschule brauchen. Mein Kind aber macht, was es will, das war schon immer so", sagt sie.

Auch in dieser Schule gibt es Dinge, die gemacht werden müssen und das sind nicht wenige. So kochen die Kinder jeden Tag gemeinsam und sie kümmern sich auch darum, dass danach wieder alles sauber ist. "Der Umstieg von einer normalen Schule in diese war natürlich schon auch schwierig", erzählt die Mutter, "weil sich die Gruppe erst finden musste". Heute ist sie immer wieder überrascht darüber, was ihre Tochter schon alles weiß und was sie begeistert zuhause erzählt. "Es geht hier um ein Gemeinschaftsgefühl und nicht darum, wer besser ist als der andere."

Dass das Interesse am Konzept Colearning vorhanden ist, zeigt die Warteliste: 40 Kinder stehen bereits darauf. "Wir könnten sofort einen zweiten Standort aufmachen", sagt Leitner-Sidl. Aber das steht derzeit noch nicht zur Debatte.