Bures will Privatunternehmen nicht durch Vorschriften überzeugen, sondern durch gute Beispiele. | Erstes Schwerpunktprojekt gilt dem Kampf der Gewalt an Frauen. | Die Flexibilisierung des Kindergeldes tritt am 1. Jänner 2008 in Kraft. | "Wiener Zeitung":Die SPÖ hat zwar in den Koalitionsverhandlungen ein Frauenministerium durchgesetzt, aber kein Budget dafür herausschlagen können. Ist Frauenministerin ein Titel ohne Mittel?
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Doris Bures: Ich habe mit der Koordinierungskompetenz des Bundeskanzleramtes die Möglichkeit, mich in alle Bereiche einzumischen. Das Frauenministerium alleine könnte ohne Budget sicher nicht viel erreichen, aber zusammen mit dem Justizministerium kann man das Familienrecht ändern, mit dem Sozialminister die Frauenarmut bekämpfen, mit dem Bildungsministerium und dem Infrastrukturministerium mehr Mädchen in atypische Berufe bringen. Bundeskanzler Gusenbauer hat gesagt, es ist Zeit, zu teilen, das gilt hoffentlich auch beim Budget.
Die Autonome Frauenbewegung und viele Frauengruppen wurden zu Zeiten eines eigenständigen Frauenministeriums gefördert. Diese Fördertöpfe wurden dann ab 2000 gekürzt. Wird es jetzt wieder möglich sein, autonome Projekte zu unterstützen?
Es gibt noch immer sehr viele Frauenprojekte, aber wenn das Geld knapp ist, muss man Schwerpunkte setzen. Für heuer sind das Projekte, die sich gegen Gewalt an Frauen richten.
Wie viel Mittel stehen dafür zur Verfügung?
Die Frauen-Interventionsstellen werden mit 2,5 Millionen Euro aus meinem Ressort und mit 2,5 Millionen durch das Innenministerium finanziert. Außerdem beginnen nächste Woche die Budgetverhandlungen.
Die Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Frauenerwerbsquote bis 2010 um drei Prozent zu erhöhen. Wie wollen Sie das durchsetzen?
Ich will einerseits die Frauenerwerbsquote und andererseits die Fraueneinkommen erhöhen. Dazu wird ein Bündel an Maßnahmen - im Justiz-, im Sozial-, im Arbeitsministerium - notwendig sein. Ganz wesentlich wird natürlich auch sein, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern.
Mir ist aber auch wichtig, dass bei der Statistik nicht geschwindelt wird. Denn wir liegen mit einer Frauenerwerbsquote von 64 Prozent international gar nicht so schlecht, das Bild ändert sich jedoch, wenn man diese Quote auf Vollerwerbszeit umrechnet. Wir haben in der Statistik einen sehr hohen Anteil von Teilzeit- und atypisch Beschäftigten.
Die Flexibilisierung des Kindergeldes war ebenfalls eine SPÖ-Forderung im Wahlkampf. Geeinigt hat man sich auf die bestehenden 30 Monate plus 6 (für den Partner) und eine neue Variante zusätzlich mit 15 plus 3 Monaten. Wollte die SPÖ in Wirklichkeit gar keine fließende Flexibilisierung, um Frauen rascher in den Arbeitsmarkt zu reintegrieren?
Nein. Das war ein hartes Ringen mit der ÖVP bis zur letzten großen Verhandlungsrunde. Wir konnten schließlich diese eine Zusatzvariante 15 plus 3 durchsetzen, für mehr Flexibilität war die ÖVP nicht zu haben. Das ist vor allem eine Verbesserung für Alleinerziehende, denn diese sind häufig früher in den Arbeitsprozess zurückgekehrt, und haben so Kindergeld verloren.
Sie wollen, dass Alleinerzieherinnen das erhöhte Kindergeld 18 (15 plus 3) Monate lang erhalten. Wie weit sind die Gespräche mit Gesundheits- und Familienministerin Andrea Kdolsky gediehen?
Ich habe Kdolsky heute getroffen. Dafür gibt es auch von ihr Verständnis.
Ab wann gilt die Flexibilisierung?
Bis September soll der Gesetzesentwurf fertig sein, in Kraft treten soll die neue Regelung am 1. Jänner 2008.
Wird der Kündigungsschutz von derzeit 24 Monaten der Bezugsdauer des Kindergeldes von 30 Monaten angepasst?
Dazu gibt es im Regierungsprogramm keine Vereinbarung. Das wird daher mit den Sozialpartnern - wie auch der Mindestlohn von 1000 Euro, der mir ganz wichtig ist - zu verhandeln sein. Aber in einer so mittelständischen Unternehmensstruktur wie in Österreich ist es oft schwierig, dass kleine Unternehmen einen Arbeitsplatz für 30 Monate frei halten können. Wichtig sind Wiedereinstiegsmaßnahmen, auch um zu verhindern, dass Frauen nach der Babypause weniger verdienen als vorher.
Provokant könnte man Sie auch als Mütterministerin bezeichnen, denn die meisten Probleme für Frauen sind doch mit dem Kinderkriegen verbunden. Immerhin gibt es bereits mehr Maturantinnen als Maturanten, mehr Akademikerinnen als Akademiker und auch Schulabbrecher sind in erster Linie männlich. Wie sehr sind Frauen ohne den Faktor Kind noch diskriminiert?
Es stimmt, bei der Ausbildung hat es einen großen Aufholprozess gegeben . . .
Nicht nur Aufhol-, sogar einen Überholprozess.
Ja, aber im Berufsleben gibt es dann einen Knick. Es gibt noch immer keinen gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. Auch Frauen ohne Kinder stoßen an die gläserne Decke. Denken Sie etwa an die wenigen Professorinnen an den Universitäten. Eine Frauenquote wie sie die Politik hat, wird aber in der Privatwirtschaft nicht umzusetzen sein, hier muss mit Anreizen gearbeitet werden.
Da Sie kein Budget haben, werden Sie versuchen, Frauen über Netzwerke zu fördern?
Ich werde vor allem im öffentlichen Dienst Frauenförderpläne entwickeln - als Vorbild für die Privatwirtschaft. Unternehmen sollten - wie das in Skandinavien durchaus üblich ist - jährlich die Einkommen von Männern und Frauen mit einer Arbeitszeitverteilung auflisten. Bereits das Aufzeigen des Ist-Zustandes kann oft zu einer Sensibilisierung führen. Von Vorschriften für die Wirtschaft in einer globalisierten Welt halte ich aber nicht viel.
Im Koalitionspakt ist vorgesehen, dass Länder- und Gemeinden ihre Beamtenpension an jene des Bundes angleichen. Die Wiener Vizebürgermeisterin Renate Brauner (SPÖ) hat dem bereits eine Absage erteilt. Wird es dennoch dazu kommen?
Nun möchte ich einmal Gespräche mit den Ländervertretern führen. Ehe ich Pläne über die Medien verkünde, ist schon aus Fairnessgründen mit den Betroffenen zu sprechen.
Der offene Uni-Zugang in Österreich hat nicht automatisch zu sozialer Chancengleichheit geführt. Haben Sie nicht das Gefühl, dass wir in Österreich mit der Fixierung auf die Uni-Gebühren mitunter über die völlig falschen Themen diskutieren?
Dem kann ich viel abgewinnen. Die Öffnung für die Frauen ist gelungen, nicht geschafft wurde die Öffnung für Arbeiter- und Mi-grantenkinder. Der Abbau sozialer Hürden beginnt nicht bei der Universität, da muss man viel früher ansetzen, etwa beim verpflichtenden Vorschuljahr. Die Studiengebühren sind nicht "die" soziale Hürde, das wäre viel zu kurz gegriffen.
Sie werden von vielen als kantig und hantig beschrieben. Ist das Ihr Naturell oder gehörte es lediglich zum Rollenverständnis Ihrer bisherigen Funktion - einer Parteimanagerin in Opposition?
In meiner politischen Funktion als Bundesgeschäftsführerin war es notwendig, Durchsetzungsfähigkeit an den Tag zu legen. Wenn also mit kantig und hantig das und meine Zeitökonomie gemeint sind, dann stehe ich auch dazu. Ich bin ein Mensch, der einen sehr geraden Weg geht. Ich setze in der Regel klare Schritte, das hat aber auch den Vorteil, dass ich berechenbar bin, dass die Menschen wissen, woran sie mit mir sind. Übrigens ist auch das Frauenministerium eine Funktion, wo man kämpferisch sein muss.
Die Frauenministerinnen der SPÖ waren auch Frauenvorsitzende in der Partei. Werden Sie demnächst SPÖ-Frauenchefin?
Nein, Nationalratspräsidentin Barbara Prammer bleibt auch Bundesfrauenvorsitzende.
+++ Zur Person
Doris Bures (44), langjährige Weggefährtin von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, folgte ihrem Mentor auch in die Regierung. An der Seite des Chefs kümmert sich Bures im Kanzleramt als Ministerin um die Agenden der Frauen, Beamten und Medien. Dass sie das mit der ihr eigenen Resolutheit tun wird, hat sie im Interview angekündigt.
Kämpfen musste die am 3. August 1962 in Wien geborene Bures schon früh. Sie war eines von sechs Kindern einer allein erziehenden Mutter. Nach der Handelsschule war sie Zahnarztassistentin.
Ihr politischer Weg führte über die Sozialistische Jugend, die Liesinger Bezirksvertretung und die Mietervereinigung nach oben. Seit 1990 ist sie Nationalratsabgeordnete. Zuerst als Hinterbänklerin, 2000 holte sie Gusenbauer in die Parteizentrale. Sie galt dort als sehr energische Managerin.