Der Schwergewichtsboxer über seine Chancen, Präsident zu werden.
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Wien. Vitali Klitschko gilt in der Ukraine als neuer Polit-Star. Der Schwergewichtsboxer hat vergangenen Herbst mit seiner "Ukrainischen demokratischen Allianz für Reformen", deren Abkürzung "Udar" passenderweise "Schlag" bedeutet, den Sprung in die Werchowna Rada, das ukrainische Parlament, geschafft. Klitschkos Partei gehört dem oppositionellen Lager an und steht der deutschen CDU nahe. Die "Wiener Zeitung" hat mit dem Neo-Politiker, der in Wien ÖVP-Chef Michael Spindelegger besuchte und im Wahlkampf unterstützte, gesprochen.
"Wiener Zeitung": Herr Klitschko, Sie befinden sich derzeit auf einem politischen Höhenflug. Umfragen zufolge hätten Sie im Moment sogar gute Chancen, den zunehmend autoritär regierenden Wiktor Janukowitsch als Staatschef abzulösen - Sie liegen seit dem Sommer auf Platz eins. Üben Sie hier in Wien schon die Rolle als Präsident?Vitali Klitschko:Im Moment ist es noch viel zu früh, über diese Wahl, die ja erst 2015 stattfindet, zu sprechen. Ich jedenfalls habe die Entscheidung, ob ich teilnehme oder nicht, noch nicht getroffen. Es ist aber natürlich schon so, dass ich nicht ausschließe, zu kandidieren.
Diese Entscheidung hängt offenbar nicht nur von Ihnen ab: Udar hat ja gemeinsam mit den anderen Oppositionsparteien - der rechtsgerichteten Svoboda (Freiheit) von Oleg Tjagnybok und der Vaterlands-Partei von Julia Timoschenko - beschlossen, sich 2015 auf einen gemeinsamen Kandidaten zu einigen. Gilt das noch?
Wir müssen natürlich realistisch sein. Janukowitsch hat ungeheuer viel Macht. Er kontrolliert die Massenmedien, verfügt über alle administrativen und finanziellen Ressourcen - die ganze Machtmaschine steht hinter ihm. Wenn die Opposition nicht vereint gegen den Präsidenten antritt, hat sie keine Chance. Wir müssen uns auf einen guten Kandidaten einigen, alles andere führt in die Niederlage. Die Möglichkeit, Janukowitsch 2015 abzulösen, sollte jedenfalls nicht leichtfertig verspielt werden. Diese Wahl wird sehr wichtig, von ihr hängt ab, welche Richtung die Ukraine nimmt - ob sie ein wirklich europäisches Land wird oder nicht.
Von der Annäherung an Europa spricht allerdings auch Präsident Janukowitsch.
Es gibt ein Sprichwort, das besagt: Der Fuchs kann zwar sein Feld wechseln, nicht aber seinen Charakter. Der Präsident spricht viel über EU-Integration oder über den Kampf gegen Korruption. Die Erklärungen bleiben dann aber nur auf dem Papier.
Sie haben hier in Wien wiederholt die geplante Anbindung der Ukraine an die EU angesprochen. Im November könnte in Vilnius auf dem Gipfel der EU-Ostpartnerschaft das fertig verhandelte Assoziierungsabkommen, das Kiew an die EU binden würde, unterzeichnet werden. Liegen darin für die Ukraine nicht auch erhebliche Risiken? Russland hat bereits mehr oder weniger offen mit einem Handelskrieg gedroht.
Es ist schon wahr: in der ersten Zeit des Übergangs wird es für uns sicher sehr schwer werden. Aber ich denke, die Entscheidung meines Landes für Europa ist eine klare politische Grundsatzentscheidung und auch wirtschaftlich vernünftig: Ohne wirkliche wirtschaftliche Freiheit werden wir nie eine konkurrenzfähige Wirtschaft aufbauen. Wir wollen den Weg gehen, den schon Polen und andere Länder des ehemaligen Ostblocks vorgezeigt haben. Russland möchte natürlich ein Imperium errichten, dem die Ukraine angehören soll. Aber auch die Russen selbst orientieren sich in Wahrheit an Europa, kaufen europäische Autos, machen Urlaub in Europa, schicken ihre Kinder zur Ausbildung nach Europa und lassen sich in Europa operieren. In Vilnius müssen wir die Entscheidung treffen, welche Richtung wir nehmen, und wir sehen uns geographisch, historisch und geistig als Teil Europas. Unsere Wirtschaft und unser Lebensstandard müssen allerdings noch europäisch werden.
Ihre Partei Udar hat bei der letzten Parlamentswahl vor einem Jahr aus dem Stand rund 14 Prozent erreicht. Möglich wurde das offenbar auch durch viel Geld: Im Wahlkampf war auffällig, dass ihre Partei über ähnlich viel finanzielle Unterstützung verfügte wie Präsident Janukowitschs "Partei der Regionen". Es wurde gemunkelt, die Gelder für ihren Wahlkampf würden von einer einflussreichen Oligarchengruppe um Dmytro Firtasch stammen, der auch Janukowitsch finanziert hat. Ist das richtig?
Diese Gerüchte sind die Früchte einer Desinformationskampagne unserer Gegner, eines Medienkriegs gegen uns. Da werden Lügen verbreitet, Bücher geschrieben und Filme gesendet, die besagen, Klitschko sei nicht unabhängig, sein Team bestehe nicht aus Fachleuten. Vor dem Einzug ins Parlament hat es geheißen, unsere Partei sei nur ein Kunstprodukt, sie werde bald wieder zerfallen. Das ist dann nicht passiert. Weshalb dann dieser Wirbel? Vielen Politikern gefällt nicht, dass ich keine Gesetze gebrochen und mein Geld ordentlich verdient habe. Aber was soll’s: Es macht mir riesigen Spaß zu beweisen, dass diese Gerüchte nicht stimmen. Die Menschen merken früher oder später ohnedies, ob jemand ehrlich ist oder ob jemand Ehrlichkeit nur spielt.