8000 kehren pro Jahr freiwillig heim. | Abschiebungen stark rückläufig. | Zuwanderung darf keine Asylfrage sein. | Wien. "Die Diskussion entfernt sich immer mehr vom Rechtsstaat - und ich bin mir nicht sicher, ob sich alle, die da schreien, der Folgen bewusst sind", warnt Günter Ecker vom Verein für Menschenrechte (VFM), der seit 2001 Abschiebebetreuung im Auftrag des Innenministeriums (BMI) durchführt. Ecker stößt sich an der im jüngsten Fall medial dargestellten Tatsache, dass Flüchtlinge, denen dieser Status rechtsmäßig gar nicht zusteht, plötzlich öffentlich als Held dastehen.
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Auch im Innenministerium ist man entsetzt über die Richtung, die die Diskussion nimmt: "Hier verwechseln offenbar viele das Thema Zuwanderung mit dem Thema Asyl, und das sind zwei ganz verschiedene Paar Schuhe, moniert der stellvertretende Chef der Sektion III., Karl Hutter, zuständig für Asyl und Zuwanderung. Einerseits gehe es um humanitäre Hilfe für jene, die woanders verfolgt oder mit dem Leben bedroht sind, auf der anderen Seite stünden "Wirtschaftsflüchtlinge, die halt gern in Österreich leben wollen, weil die Rahmenbedingungen hier besser sind als in ihrer Heimat".
Dies sei zwar legitim und verständlich, doch müssten solche Zuwanderer eben gewisse Kriterien, etwa am Arbeitsmarkt, erfüllen, und das gelinge vielen nicht. Diese würden dann versuchen, "über die Asylschiene dennoch hereinzukommen, Verfahren möglichst lange hinauszuzögern und aus einer möglicherweise entstehenden Integration eine Art Bleiberecht zu erwirken", formuliert es Hutter.
Genau das sei aber gefährlich: Denn würde ein solches Bleiberecht, etwa mit Zeitrahmen, gesetzlich gewährt, würden sich Hunderttausende Richtung Österreich aufmachen und ihr Glück auf diese Art und Weise versuchen.
Asyl für 30 Prozent
Schon jetzt sei es so, dass die relativ hohe Quote positiv bearbeiteter Asylanträgen in Österreich (derzeit etwa 30 Prozent) Schlepper veranlasse, ihre Opfer bevorzugt hierher zu führen. In Deutschland betrage diese Quote offiziell nur 1,8 Prozent, "was aber auch darauf zurückzuführen ist, dass die ein völlig anderes Zählsystem haben. Aber das wissen die Schlepper nicht", erklärt Hutter. Das mache Österreich natürlich interessant.
Daher gibt es bei den Rückkehrberatern auch zwei Fraktionen, die gar nicht gut aufeinander zu sprechen sind: Die "Alteingesessenen" Caritas und Diakonie, die immer offener für "Bleiberechte" und "Verstecken" eintreten, sehen sich vom "Verein für Menschenrechte" bedroht. Dieser rät seinen Klienten nämlich von endlosen Verfahren ab und sieht eine begleitete, gut organisierte Heimreise mitunter als bessere Alternative an.
Interessens-Konflikte
Das hat Folgen: Aufgrund seiner guten Ergebnisse bei der Rückführung von abgewiesenen Fremden hat der VFM seinen Betreuungsanteil bei Schubhäftlingen seit 2003 nämlich von 37 auf heuer 66 Prozent fast verdoppeln können; das sind rund 1650 Klienten allein seit Jahresbeginn.
Und prompt musste sich Ecker vor zwei Wochen vom Wochenmagazin "profil" kritisieren lassen: Der "Verein für Menschenrechte" erfülle für das BMI die Aufgabe des willigen Abschiebers unter dem Deckmantel der Humanität, lautete der Tenor der medialen Kritik, in der allerdings konkrete Vorwürfe fehlten.
"Es passt gewissen Leuten nicht, dass wir mit unserer Arbeit mehr Erfolg haben", meint Ecker, "dabei versuchen wir nur, den Schubhäftlingen ihre Situation realistisch zu erklären. Und dazu gehört nun einmal, dass wir ihnen von einem Hierbleiben um jeden Preis abraten."
Tatsächlich tut sich der VFM etwas leichter mit der Vorgabe des BMI, Schubhaftbetreuung und Rückkehrberatung gleichzeitig durchzuführen. "Wir haben dieselbe Klientel wie Caritas oder Diakonie, leben aber nicht von der Betreuung jener, die im Lande bleiben". Zudem erlebe man immer wieder mit, "wie findige Rechtsanwälte gut von Einsprüchen der Schüblinge leben, die ihnen ihre letzten 700 Euro anvertrauen, in der Hoffnung, dass man sie aus der Schubhaft rausholt".
Die VFM-Betreuer müssten diesen Leuten dann mühevoll erklären, dass sie einer Illusion aufgesessen seien und alle Rechtsmittel leider bereits ausgeschöpft seien.
"Rucksack" abbauen
Dass es derzeit zu einer Häufung vermeintlich "ungerechter" Abschiebungen "integrierter" Ausländer komme, sei nicht zuletzt Auswirkung massiver Personalaufstockungen der zuständigen Behörden: So wurde der vorher aufgrund seiner Langsamkeit viel kritisierte UBAS (Unabhängiger Bundesasylsenat) von 100 auf 182 Mitarbeiter aufgestockt (weitere 33 sollen bis 2008 dazukommen); das Bundesasylamt von 233 auf 287 Beamte. "Es ist klar, dass die Verfahren nun flotter gehen", sagt Ecker. Tatsächlich wurden heuer bei 7649 neuen Asylanträgen (bis Ende August) 10.741 Verfahren rechtskräftig behandelt. Rund 33.000 unerledigte Verfahren aus den letzten Jahren liegen noch im "Rucksack", wie es Hutter definiert. Davon stammen gut 27.000 aus zweiter Instanz.
"Jene Organisationen, die den Abzuschiebenden zu immer neuen Einsprüchen raten, haben aber schon einen neuen ,Flaschenhals im Behördenweg gefunden, um Verfahren in die Länge zu ziehen: den Verwaltungsgerichtshof, wo sich bereits etliche Fälle stauen", weiß Ecker.
Doch auch damit soll bald Schluss sein: "Die Regierung hat sich darauf geeinigt, noch heuer die Schaffung eines eigenen Bundesasylgerichtes auf Schiene zu stellen, das ab 1. Juli 2008 arbeiten wird. Da gibt es dann nur noch maximal zwei Instanzen", kündigt Hutter an.