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Dacapo für Groko?

Von Christian Ortner

Gastkommentare
Christian Ortner.

Warum die Wahrscheinlichkeit, dass Schwarz und Rot auch die nächsten Jahre regieren, gar nicht so klein ist, wie es im Augenblick scheint.


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Dass sowohl die SPÖ als auch die ÖVP den kommenden Wahlgang zur Mutter aller innenpolitischen Schlachten hochjazzen, als ginge es um eine Entscheidung zwischen Inferno und Paradies, Gut und Böse oder zumindest um das Überleben der Alpenrepublik, ist ja irgendwie verständlich, wenn auch eher unernst anzusehen. Vermutlich braucht man das eben, um die jeweils eigenen Anhänger ausreichend zum Laufen zu bringen.

In der Öffentlichkeit ist dadurch stark der Eindruck entstanden, nach der Nationalratswahl Mitte Oktober werde zwingend alles anders werden als bisher. Es werde also entweder eine schwarz-blaue Rechts-Koalition unter einem Kanzler Sebastian Kurz das Land regieren oder eben ein rot-blaues Bündnis unter dem bisherigen Bundeskanzler Christian Kern die Geschäfte der Republik führen. High Noon auf jeden Fall also.

Als nur noch eher theoretische Möglichkeit wird hingegen betrachtet, dass die beiden bisherigen Regierungspartner auch nach dem Wahltag, wenn auch vielleicht in einer anderen Konstellation, miteinander weitermachen könnten. Dazu, so lesen und hören wir immer wieder, sei die gegenseitige Abneigung zwischen den beiden Parteien viel zu stark ausgeprägt; der eingetretene politische Stillstand nicht mehr zu ertragen und letztlich das ganz Konstrukt der großen Koalition irgendwie aus der Zeit gefallen. Und die Deutschen haben so ein Konstrukt ja auch gerade abgewählt.

Wer davon allzu fest überzeugt ist, könnte freilich nach dem 15. Oktober eine Überraschung erleben.

Denn zwar trifft zu, dass sich die Spitzenkandidaten, ob sie das wollen oder nicht, tatsächlich in einer Art High-Noon-Situation befinden - dass der Verlierer eine strahlende politische Karriere vor sich haben wird, ist ja eher nicht zu erwarten. Aus der Sicht der Parteiapparate stellt sich das freilich anders dar. Für Schwarz wie Rot gilt, was der Burgenländer Hans Niessl so hübsch formuliert hat: "Opposition ist Mist."

Natürlich, denn damit schwinden Macht, Geld und Jobs dahin, was wiederum für potenzielle Anhänger nicht gerade sehr attraktiv ist. Welche der beiden Regierungsparteien auch immer am Wahlabend als Verlierer dasteht, wird sich dessen wohl sehr bewusst sein.

Dazu kommt, dass in den noch immer recht mächtigen Landesorganisationen der ÖVP die Neigung zu einem Pakt mit den Blauen - bis auf zwei Ausnahmen - nicht eben üppig dimensioniert ist. Und ÖVP-Chef Kurz wird, sollte er - wie die Umfragen nahelegen - tatsächlich Nummer eins werden, auch die Frage der internationalen Reputation und damit verbunden vor allem der Durchsetzungskraft in den europäischen Institutionen einer schwarzblauen Regierung kalkulieren. Nicht, dass die EU noch einmal den Unfug von Sanktionen wiederholen würde - aber etwas heikel ist die Sache ja trotzdem. Auch das könnte, ein entsprechendes Wahlergebnis vorausgesetzt, eher für ein Dacapo der GroKo sprechen.

So richtig unbeliebt wäre das bei der Bevölkerung nicht: Laut einer Imas-Umfrage präferieren 16 Prozent so eine Regierung, nur knapp mehr (18 Prozent) plädieren für Schwarz-Blau und nur 5 Prozent für Rot-Blau. Gut möglich, dass die Nachrufe auf die große Koalition etwas früh geschrieben worden sind.