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"Dachte, es kommt etwas zurück"

Von Daniel Bischof

Playstation und Videospiele standen neben Handys ganz oben auf der Wunschliste der Angeklagten.
© fotolia

Freispruch für zwei 19-Jährige, die einen schizophrenen Mann finanziell ausgenützt haben sollen.


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Wien. "Wie können Sie denn mit Geld umgehen?", wird der Zweitangeklagte vom Schöffensenat gefragt. "Ich kann schon mit Geld umgehen", antwortet der 19-Jährige und macht dann eine kurze Pause. "Aber nicht wirklich", korrigiert er sich und sorgt damit im Gerichtssaal für Heiterkeit.

Geld - und was man alles damit kaufen kann - spielte bei einem Prozess am Mittwoch am Wiener Straflandesgericht eine zentrale Rolle. Zwei 19-jährige Angeklagte sollen einen psychisch Kranken erpresst und finanziell ausgenützt haben. Mit Gewalt und gefährlichen Drohungen sollen sie ihn eingeschüchtert haben, für sie Sachen zu kaufen und Verträge abzuschließen. So sollen sie ihn dazu genötigt haben, Handys, eine Playstation samt Spielen, Kleidung und ferngesteuerte Autos zu finanzieren. Die beiden Angeklagten hatten sich deswegen wegen des Verbrechens der Erpressung vor einem Schöffensenat (Vorsitz: Martina Frank) zu verantworten.

Das 29-jährige, mutmaßliche Opfer ist schizophren, wird seit 2011 ambulant behandelt und hat einen betreuten Arbeitsplatz in der Gastronomie. "Er ist sehr gutgläubig und leicht beeinflussbar", sagte sein Bruder, der vor Gericht als Zeuge aussagte, über ihn. "Es hat früher schon Vorfälle gegeben, wo er Leuten auf der Straße Geld geborgt hat." Einmal seien es 2000 Euro gewesen, erzählte der Bruder. Da man den 29-Jährigen aber nicht besachwalten wollte, habe man ihm seine Bankomatkarte weggenommen. Intensiv hätte er sich um seinen Bruder gekümmert. Doch dann sei im Oktober 2015 plötzlich der Kontakt "komplett abgebrochen."

"Umsonst wohnen"

Laut Staatsanwaltschaft Wien haben die beiden Angeklagten das angebliche Opfer in dieser Zeit kennengelernt. Die 19-Jährigen behaupteten hingegen, mit ihm bereits länger bekannt zu sein. Fest steht, dass die Angeklagten im Oktober 2015 für mehrere Wochen in die Wohnung des 29-Jährigen gezogen sind.

"Bei meinem Bruder hätte ich was zahlen müssen", sagte der Erstangeklagte. Dagegen hätte er beim 29-Jährigen "umsonst wohnen" können. "Warum wussten Sie, dass es umsonst war?", fragte Richterin Frank nach. "Das weiß ich nicht", antwortete er.

Sehr bald trieb es die drei Männer in Handyshops. Der 29-Jährige habe gesagt, dass er ein Mobiltelefon wolle, erklärte der Erstangeklagte. Gleich vier Handyverträge schloss der psychisch kranke Mann ab. Die Telefone händigte er danach den Angeklagten aus, welche diese weiterverkauften. Er habe das Geld dem angeblichen Opfer in Raten zurückzahlen wollen. Einen entsprechenden Vertrag, der nicht mehr auffindbar ist, habe man geschlossen. Auch Videospiele und ein Internetvertrag wurden für die Männer-WG erworben. Einmal kassierten die Angeklagten die Mindestsicherung des 29-Jährigen ein.

Die Aussage des Zweitangeklagten - ein muskulöser, junger Mann mit kariertem Hemd - glich jener des Erstangeklagten. Auch er hätte dem 29-Jährigen das Geld zurückzahlen wollen. Zudem hätte man in der WG gemeinsam gewirtschaftet. Er hätte sein Arbeitslosengeld eingebracht, um etwa Kleidung, Nahrung und Marihuana zu kaufen.

Den psychisch Kranken habe er nie geschlagen, sagte der Zweitangeklagte, der bereits zweifach vorbestraft ist - unter anderem wegen eines Raubdelikts. Der Erstangeklagte weist unter anderem Vorstrafen wegen versuchter Hehlerei und Betruges auf.

Auf Straße kennengelernt

Auch der 29-Jährige sagte am Mittwoch vor Gericht aus. Er zögerte, bevor er seine Antworten gab. Die beiden Angeklagten kenne er von der Straße, erklärte er. "Wenn Sie die öfters sehen auf der Straße: Reicht das aus, damit die bei Ihnen in der Wohnung wohnen?", fragte Frank nach. "Ja. Es gab keine sonstigen Treffen."

"Wenn ich gelacht habe, etwas nicht verstanden habe: Dann habe ich eine Watschn bekommen." Auch Drohungen habe es gegeben. Genaue Vorfälle konnte er allerdings nicht angeben. Faustschläge oder Fußtritte habe er nie bekommen. Eine Zeit lang habe er seine Medikamente nicht genommen, weil die Angeklagten ihm gesagt hätten, er sei "eh gesund." "Ich dachte, es kommt etwas zurück, wenn man etwas hergibt", sagte der 29-Jährige, der auch öfters für seine Mitbewohner kochte. Irgendwann habe er sich aber nicht mehr ausnützen lassen wollen. Auch sei die Wohnung schmutzig geworden. Deshalb sei er zur Polizei gegangen.

"Was moralisch unten durch ist, muss noch keine Straftat sein", sagte Frank und sprach die Angeklagten frei. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Erpressung - beziehungsweise des Betruges - seien nicht erfüllt. Der 29-Jährige, der sich mit mehreren tausend Euro dem Prozess als Privatbeteiligter angeschlossen hatte, wurde auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab, der Freispruch ist nicht rechtskräftig.