Der Grüne Kurt Grünewald verabschiedet sich in Politpension.
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"Wiener Zeitung": Sie scheiden mit Ende der Legislaturperiode aus dem Nationalrat aus. Wie fällt Ihr persönliches Fazit aus?Kurt Grünewald: Es war eine ungeheure Erfahrung - natürlich auch gemischt mit Enttäuschungen. Ich ging in die Politik, um etwas zu verändern. Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass das bessere Argument kein Grund ist, dass man Abstimmungen gewinnt. Es gibt sehr starke Klubpflichten, vor allem bei den Großparteien. Außerhalb des Parlaments geben mir Kollegen recht - kaum stehen sie aber am Rednerpult, wird man automatisch zum Gegner.
Ein Problem des Parlaments ist auch das Fehlen von Experten. Ich dachte, in den Ausschüssen sitzt die Crème de la Crème - dem ist nicht so. Andere Parlamente haben Experten, die Abgeordnete beraten. Das fehlt hier völlig. Das ist schade. Man könnte aus dem Parlament viel mehr machen - auch indem man die Klubzwänge lockert und den Abgeordneten mehr Freiheiten lässt.
Als Sie 1999 ins Parlament kamen, trat gerade die schwarz-blaue Regierung an. Wie hat sich das Klima im Parlament seither geändert?
Unter Schwarz-Blau waren die Grenzen zwischen den Gruppen und Parteien viel stärker betoniert. Schwarz-Blau hatte die Tendenz, Dinge durchzuziehen - da waren Diskussionen kaum möglich. Das ist nach 2006 etwas besser geworden. Aber spätestens bei den Abstimmungen sind dann die Diskussionen, auch wenn sie wieder freier laufen, nur noch Schall und Rauch. Hier wäre die Nationalratspräsidentin gefordert, neue Ideen zu entwickeln.
Wie sehen Sie die Entwicklung der Grünen? Karl Öllinger, der nur auf einem Kampfmandat kandidiert, hat kritisiert, dass abseits von Skandalaufdeckung zu wenig auf fachliche Kompetenz Wert gelegt wird.
Das ist sicher ein Problem. Die Grünen als nicht sehr große Partei müssen mit 21 Abgeordneten das Gleiche machen wie andere mit 50 und mehr. Gewisse Dinge sind da etwas in den Hintergrund getreten, weil man der Not folgend Themen, die politisch etwas hergeben, mehr beachtet. Das ist schade und hier wären die Grünen auch gut beraten, den anderen Parteien gewisse Felder nicht kampffrei zu überlassen, sondern auch hier Präsenz zu zeigen.
Was war Ihr persönlicher Höhepunkt im Parlament?
Höhepunkte sind immer, wenn man endlich einmal die Gelegenheit hat, sich mit etwas durchzusetzen. Das ist mir zum Beispiel nach jahrelangem Kampf gelungen mit notwendigen Maßnahmen in der Palliativmedizin. Da ist etwas vorwärtsgegangen - auch wenn wir noch lange nicht am Ziel sind. Auch in der Patientenverfügung konnten wir uns gut einbringen.
Was überwiegt letztlich, das Positive oder das Negative? Geht man als Oppositionspolitiker zwangsläufig frustriert in Pension?
Sicher ist man öfter frustriert. Aber ich möchte nicht frustriert in Pension gehen. Es war eine Bereicherung. Ich habe unglaublich spannende Menschen kennengelernt - auch außerhalb des Parlaments, wo man zum begehrten Diskussionspartner wird. Wenn man einmal hinter die Kulissen geschaut hat, lässt einen die Neugier nicht mehr los - wohl auch nicht in der Pension.
Zur Person
Kurt
Grünewald
Der Innsbrucker Mediziner Kurt Grünewald sitzt seit 1999 als Gesundheitssprecher der Grünen im Nationalrat. Im Zivilberuf ist der 65-Jährige Professor für Innere Medizin an der Uni Innsbruck.