Rückgrat zeigen, individuell und kollektiv, schützt Redaktionen wie Verwaltung vor Machtmissbrauch.
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Resilienz ist längst zum Modewort geworden, das seit Jahren landauf, landab gepredigt und beworben wird. Bei Fremdworten ist das immer gefährlich: Wer weiß schon wirklich, wie viele Menschen den wohlklingenden Begriff einfach wiederholen, weil sie ihn den Medien ständig entnehmen, aber in Wirklichkeit gar nicht so richtig wissen, was damit eigentlich gemeint ist.
Resilienz lässt sich mit psychischer Widerstandskraft umschreiben, aber da steckt erneut ein Fremdwort drinnen. Allgemeinverständlicher bringt es "Rückgrat zeigen" auf den Punkt. Auch hier schwingt äußerer Druck mit, sei es von Personen oder Strukturen, und dass es darauf ankommt, dem etwas entgegenzusetzen, um etwas Schützenswertes vor Schaden zu bewahren.
Von hier ist es ein erstaunlich wie erschreckend kurzer Weg zur politischen Causa prima, der Gewissenserleichterung des ehemaligen "Prätorianers" von Sebastian Kurz, Thomas Schmid. Dieser beschuldigt in seiner Version zahlreiche Personen, darunter neben dem Ex-Kanzler auch die Unternehmer Rene Benko und Siegfried Wolf, die aktiven ÖVP-Politiker Wolfgang Sobotka und August Wöginger sowie die Medien-Brüder Fellner.
Was wahr ist und was bewiesen werden kann, wird sich zeigen. Aber schon jetzt ist klar, wie geschwächt die Immunkräfte der Republik gegen die Verlockungen von Amtsmissbrauch, Bestechung und Bestechlichkeit sind.
Amtsmissbräuchliche Interventionen für Parteifreunde werden maßgeblich etwa dadurch strukturell erleichtert, wenn andere Parteifreunde als Karrieremotoren in der Verwaltung sitzen, die die eigene Karriere wiederum anderen Freunden zu verdanken haben. Die Durchdringung der mittleren und höheren Verwaltungsebenen mit Parteisoldaten gefährdet die Qualität und die Neutralität des Skeletts der Republik. Wirksamstes Gegenmittel neben allerlei organisierten Vorkehrungen ist das individuelle wie kollektive Rückgrat der Beamtinnen und Beamten gegen die Übergriffe der Parteipolitik.
Das Gleiche gilt für Redaktionen. Unanständige Gegengeschäfte à la "Geld gegen freundliche Berichterstattung", wie sie für das Medienhaus der Fellners nun behauptet werden, sind ein Hinweis auf Systemfehler. In einem intakten Redaktionskollektiv kann kein Chef seinem Team bei einem Thema Ton und Linie ohne fundierte journalistische Begründung vorgeben. Redaktionen schützen auch den Journalismus vor Willkür und Missbrauch. Die Grundlage dafür wird in einer Ausbildung gelegt, die vermittelt, welche Verantwortung unabhängiger Journalismus für einen Staat, für eine Gesellschaft trägt.