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Daheim und doch in Haft

Von Matthias G. Bernold

Wirtschaft

Derzeit in Pilotprojekten mit einer Hand voll Häftlingen getestet - künftig die Regel im Strafvollzug? Wenn sich die elektronische Fußfessel im Probebetrieb bewährt, könnte sie schon Anfang nächsten Jahres gesetzlich vorgesehen werden. Die "Wiener Zeitung" war in der Justizanstalt Hirtenberg zu Gast, wo die Fußfessel derzeit an Freigängern ausprobiert wird.


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Walter P. ist ein bisschen traurig, dass das Pilotprojekt, bei dem er mitmachen durfte, schon vorbei ist. Der 58-jährige Freigänger, der nur zum Schlafen jede Nacht in die Justizanstalt Hirtenberg zurückkehren muss und tagsüber arbeiten geht, genoss die größere Freiheiten des knapp zwei Monate währenden Probelaufs: "Ich konnte während dieser Zeit meine Frau zumindest an den Wochenenden sehen. Jetzt ist sie schwanger und würde mich noch mehr benötigen."

P. ist einer von fünf Häftlingen, denen von Mitte November bis Ende Dezember 2004 das Carbonband mit dem Chip ums Fußgelenk geschnallt wurde. Inzwischen läuft ein neues Projekt, mit vier anderen Gefangenen. (Mehr der 1.000 Euro teuren Geräte konnte die Elektronik-Firma nicht kostenlos bereit stellen.) In der Fußfessel verläuft ein elektronischer Kontakt. Wird dieser durch Reißen, Schneiden, oder sonstige Manipulation unterbrochen, sendet der Chip ein Warnsignal. Dieses wird von einem speziellen Mobiltelefon mit eingebautem GPS, dass der elektronisch Gefesselte ebenfalls bei sich tragen muss, empfangen und umgehend an die Justizanstalt weitergeleitet.

"Am Anfang war das sehr ungewohnt", berichtet Herr P., "das Fußband wiegt ein paar Deka, dann das GPS-Handy dazu. Es ist ein gewisser psychischer Druck da. Man fühlt sich auf Schritt und Tritt überwacht." Über den GPS-Sender im Handy können die Mitarbeiter in Hirtenberg jederzeit den Standort des Delinquenten feststellen. "Bis auf zehn Meter genau können wir feststellen, wo sich die Person gerade aufhält", berichtet Major Alfred W. Steinacher, der als Vollzugs-Leiter in Hirtenberg für das Projekt verantwortlich ist. Als gelbe Punkte leuchten die Probanden auf der Landkarte auf einem Computer-Bildschirm auf. Alarm wird u.a. auch dann ausgelöst, wenn der Akku am GPS-Handy leer ist, oder wenn das Handy mehr als zehn Meter vom Chip an der Fußfessel entfernt wird: "In diesem Fall rufen wir an und fragen nach, was passiert ist."

Tücken der Technik

Frei von technischen Problemen war die Probezeit freilich nicht. "Am Anfang wurde hin und wieder angezeigt, dass sich die Person aus dem Zehn-Meter-Bereich rund um das Handy entfernt hat", erzählt Steinacher - dabei habe die Person gerade mit der Anstaltsleitung telefoniert. Steinacher scherzend: "Und vom Unterschenkel bis zum Ohr sind es bei keinem unserer Gefangenen zehn Meter." Inzwischen kam man dem Rätsel auf die Spur: Die Fehlmeldung entstand, weil das Fußband nicht perfekt eingerastet war: "Dazu braucht es nämlich einen entsprechenden Anpressdruck. Wir benützen inzwischen eine Wasserpumpen-Zange."

Für Karl Drexler, Leitender Oberstaatsanwalt im Justizministerium, hat sich gezeigt, dass die technischen Schwierigkeiten "im Großen und Ganzen beherrschbar sind" - auch wenn es bestimmte Probleme gibt, die sich nicht lösen lassen: "Etwa den abgelegenen Bergbauernhof im Bergschatten ohne Sichtkontakt zum Satelliten".

Ein großer Vorteil der elektronischen Überwachung ist ihre flexible Einsatzmöglichkeit. So können räumliche Bereiche abgesteckt werden, in denen sich die Person aufhalten oder nicht aufhalten darf. Zusätzlich lassen sich diese räumlichen Parameter an zeitliche knüpfen: "Wenn wir zum Beispiel jemanden haben, der um 8 Uhr zur Arbeit nach Baden fährt", erklärt Steinacher, "dann können wir festlegen, dass er sich tagsüber nur in Baden aufhalten darf." Wer aller in Hinkunft elektronisch gefesselt werden könnte, ist derzeit ungewiss.

Trotz grundsätzlicher Zustimmung aller politischen Parteien und aller betroffenen Berufsgruppen gehen die Meinungen im Detail auseinander. Im Büro der Justizministerin rechnet man jedenfalls mit "mehreren hundert Fällen im Jahr".

Bei bedingten Entlassungen

Praktiker Steinacher kann sich "auf gar keinen Fall" vorstellen, die Fußfessel bei Sexual-Delinquenten einzusetzen: "Da hätte ich kein ruhiges Gewissen". Auch Delikte, die mit einem Strafrahmen von mehr als zwei Jahren bedroht sind, hält er prinzipiell für eher ungeeignet. Ideal sei die elektronische Fußfessel, um Straftäter auf das Leben in Freiheit vorzubereiten. Mit dem Chip allein sei es dabei allerdings nicht getan - die Betreuung entscheide darüber, ob jemand später rückfällig werde oder nicht. Ins selbe Horn stößt auch Herr P.: "Jemanden nach Jahren, ohne soziale Kontakte, ohne Arbeit und ohne Betreuung von einem Tag auf den anderen aus der Haft zu entlassen, macht keinen Sinn."

Wie aus dem Justizministerium verlautet, könnte es noch im Sommer einen breiter angelegten Modellversuch geben, bevor die elektronische Fußfessel ins Strafvollzugsgesetz Eingang findet. Auf richterliche Weisung könnte die Fußfessel bei bedingter Strafnachsicht und bedingten Entlassungen eingesetzt werden, wenn der Betroffene zustimmt. n