Klarstellung: "Wollen keine Unabhängigkeit." | Brüssel. Die EU lässt sich nicht von China einschüchtern. Trotz chinesischer Drohgebärden und Gipfelstornierung will sich der französische Präsident und derzeitige EU-Vorsitzende Nicolas Sarkozy am Samstag mit dem Dalai Lama treffen. Im EU-Parlament wurde das Oberhaupt der Tibeter bereits gestern, Donnerstag, demonstrativ freundlich empfangen und erhielt Standing Ovations.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Der 73-Jährige stellte ausdrücklich klar, dass er keine Unabhängigkeit für Tibet anstrebe und kritisierte die chinesische Regierung scharf. Wenn Vertreter Pekings behaupteten, er wolle Tibet von China abspalten, so sei das "völlig falsch". "Wir wollen bei China bleiben, aber mit einer echten Autonomie und unter Wahrung unserer Identität", sagte er.
Macht der Gewehre
Dass der von ihm geforderte Gewaltverzicht in der tibetischen Bevölkerung langsam unpopulär wird, wies der Friedensnobelpreisträger zurück. Selbst jene, die sich die Unabhängigkeit Tibets wünschten, seien gegen Gewalt. Chinas Führung sehe eben überall politische Signale, meinte er. "Selbst wenn ich ein Glas Wasser trinke, glauben die Chinesen, das hat politische Bedeutung."
Leider hätte sich die Hoffnung auf konstruktive Gespräche mit der chinesischen Führung aber nicht erfüllt. Statt der versprochenen Treffen habe Peking die Propagandamaschinerie mit ungerechtfertigten Schuldzuweisungen für die Eskalation der Auseinandersetzungen vor den Olympischen Spielen angeworfen. Offenbar wolle die chinesische Regierung gar nicht reden, sondern vertraue nur der "Macht der Gewehre", sagt der Dalai Lama. Das sei jedoch ein Fehler, denn diese Strategie habe bereits seit fünf Generationen keine Probleme gelöst.
Die Farbe der Katzen
So werde sein Vertrauen in die Führung in Peking immer schwächer. Bisher hätten sich die Hardliner stets durchgesetzt. So habe Präsident Hu Jintao zwar in seiner letzten Parteitagsrede rund 60 Mal das Wort "Demokratie" verwendet. Angesagt wären aber endlich ernsthafte demokratische Maßnahmen für das chinesische Volk. Denn derzeit handle es sich in China um ein "totalitäres kapitalistisches System", dem die "moralische Autorität" fehle. "Und solange die Katze Mäuse fängt, ist es egal, welche Farbe sie hat", malte der Dalai Lama die Situation aus.
Aus Solidarität mit Tibet hatten EU-Abgeordnete und Beamte um Mitternacht zudem eine 24-stündige Fastenaktion begonnen. 420 weitere ließen sich zumindest in eine Liste eintragen, um die Aktion symbolisch zu unterstützen.