Die Brunnenpassage feiert zehn Jahre: Der Kunstraum wurde schnell zum unverzichtbaren Begegnungsort.
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Wien. Am Brunnenmarkt kommen die Leut’ zam. "Zuagraste" treffen auf Wienerinnen und Wiener, die hier schon seit Generationen leben, die Dialekte haben sich längst vermischt. Bei vielen Händlern hört man eine Melange aus ihrer Heimatsprache und Wienerisch, ein für Ottakring sehr typischer Sprach-Kolorit. Ans Ende des Brunnenmarkts schmiegt sich der Yppenplatz. Sein früherer Marktkern beherbergt die Brunnenpassage, die heuer ihr zehntes Jubiläum feiert. Hier ist immer etwas los. Workshops, Tanzveranstaltungen, politische Diskussionen. Durch die Glaswände können Spaziergänger einen Blick erhaschen und sehen, wie Leute miteinander tanzen und singen oder sich spontan zum Vortrag dazusetzen. 400 Veranstaltungen finden jährlich statt, ein Team aus 25 Personen (davon acht Mitarbeiter) organisiert den Kultur-Raum.
Kunstprojekt für alle
"Kunst kann viel. Vor allem, wenn Menschen selbst an einem Theater- oder Tanzprojekt teilnehmen", sagt Anne Wiederhold. Für die Leiterin der Brunnenpassage gehört Kultur zur Partizipation an der Gesellschaft genauso dazu wie ein Dach über dem Kopf, ein Arbeitsplatz und soziale Kontakte. Vor zehn Jahren sollte aus der Brunnenpassage "ein Kunstprojekt für alle" werden. Heute, sagt die künstlerische Leiterin, definieren sich viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht mehr über ihre Herkunft, sondern haben sich auf individueller sowie kollektiver Ebene verändert. Sie seien selbstbewusster geworden und hätten sich geöffnet.
"Wenn man den Zusammenhalt in der Nachbarschaft stärken will, braucht es dafür Orte, und Ottakring bringt eine wahnsinnige Diversität mit", ist Wiederhold überzeugt. "Vor Jahren hätte man die Brunnenpassage als nettes Kunstprojekt bezeichnen können. Heute ist es notwendig", sagt Anne Wiederhold. Aus einer moralisch sinnvollen Sache wurde eine gesellschaftliche Notwendigkeit.
Förderung gestrichen
Das sieht Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz anders. Für 2015/2016 wurde die Förderung der Brunnenpassage zugunsten von Deutschkursen gestrichen. Auch erfuhr man, dass "eine Antragsstellung für die Brunnenpassage für 2017/2018 nicht zielführend, da Kultur- und Sozialprojekte nachrangig behandelt würden", sagt Andreas Frauscher, Presse-Mitarbeiterin der Caritas. Dies bestätigt das Ministerium mit dem Hinweis, dass Kulturprojekte derzeit hinter der Förderung von Deutschkursen und Erstintegrationsmaßnahmen für anerkannte Flüchtlinge nachstehen müssten.
In der Brunnenpassage gehe es darum, "den Zusammenhalt zu stärken. Dass das Integrationsministerium Förderungen streicht, trägt sicher nicht dazu bei", sagt Kulturminister Thomas Drozda beim Symposium der Brunnenpasse am Donnerstag zur "Wiener Zeitung". Er wisse, mit Integration sei kein Wahlkampf zu gewinnen, aber man habe in der Politik Aufgaben zu erfüllen und müsse gegen Mehrheitsmeinungen einstehen.
"Was wir vor zehn Jahren bei der Gründung nicht wussten, ist, wie wichtig solche Orte für die Gesellschaft sein würden. Nicht nur Sprachkurse, sondern auch Kunst und Kultur sind wie gemeinsame Picknicks und Events wie ‚Tanz der Toleranz‘ relevante Formate, um sich kennenzulernen und einander zuzuhören", sagt Klaus Schwertner, Caritas-Generalsekretär. Auch, oder besonders in einer Zeit, die wie heute von Angst erdrückt zu sein scheint. Zum Symposium ist auch Robert gekommen. Der 31-jährige Künstler ist Roma und kommt seit vier Jahren zu Events hierher. "Der Ort ist für mich sehr wichtig, da er Politik mit Kunst verbindet und zeigt, wie positiv sich Kunst auf andere soziale Ebenen in der Gesellschaft auswirkt."