Der Tag des Denkmals wäre ein guter Anlass, sich auf das europäische Kulturerbe zu besinnen.
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Die Europäische Union hat das Jahr 2018 zum Europäischen Jahr des Kulturerbes erklärt mit dem Ziel, das Bewusstsein für unsere europäische Geschichte und unsere europäischen Werte zu schärfen und das Gefühl einer europäischen Identität zu stärken. Angesichts der unmittelbaren Gedenkjahre und Jubiläen in und um Österreich - Dreißigjähriger Krieg (1618 bis 1648), Revolutionsjahr 1848, Zerfall der Monarchie und Gründung der Ersten Republik 1918, Annexion Österreichs durch Nazi-Deutschland 1938, Prager Frühling 1968 -, ist das wahrlich eine Herausforderung.
Der Tag des Denkmals diesen Sonntag, veranstaltet vom Bundesdenkmalamt, bietet dazu einen geeigneten Anlass, sich in ganz Österreich auf unterschiedlichste kulturhistorische Spurensuche zu begeben. Wir gedenken heuer aber auch des 100. Todestags des Architekten Otto Wagner, dem das Wien Museum noch bis 7. Oktober eine Ausstellung widmet. Mit seiner Städteplanung und Architektur hat Otto Wagner das Wiener Stadtbild nachhaltig geprägt. In seinen Werken paart sich Funktionalität mit höchsten ästhetischen Ansprüchen, was sich bis heute öffentlich in Wien unter anderem bei den historischen U-Bahnstationen der U4 und U6, beim Gebäude der Österreichischen Postsparkasse und auf dem Areal am Steinhof mit Jugendstiltheater und Kirche zeigt. Dies alles zeugt in unterschiedlicher Art und Weise von der unglaublichen Weitsicht und vom nachhaltigen Wert anspruchsvoller Architektur und vermittelt einen Eindruck der Metropole Wien um 1900.
Ein Blick zurück nach vorne
Am Tag des Denkmals gibt es in Bezug auf Otto Wagner zum Beispiel Führungen in der Kirche am Steinhof und in der Postsparkasse. Dass Wien um 1900 Menschen aus aller Welt und besonders aus den Ländern der Monarchie anlockte, ist bekannt. Man wird staunen über das breite Spektrum an Internationalität, wenn die Spurensuche daheim bei den Kulturdenkmälern beginnt, wo sich Handwerker und Künstler unterschiedlichster Nationalitäten verwirklichten, um diese mit ihrem Können zu bereichern, und wir sollten alles daransetzen, diesem so großen kulturellen Erbe mit Offenheit und Weitsicht zu begegnen, um unsere Umwelt auch für nächste Generationen zukunftsfähig zu bereichern.
Otto Wagner war gebürtiger Wiener, und als in Penzing beheimateter Stararchitekt stellt sich natürlich die Frage: Wie hätte er den neuen Wiener Hauptbahnhof geplant? Hätte er im Westen Wiens einen neuen Umsteigebahnhof errichten lassen, um die vorhandene Infrastruktur von U-Bahn, Vorortelinie und Westbahnlinie zum Westbahnhof gegenseitig zu vernetzen und als weiteren Mehrwert die Menschen in ihren neuen Eigenheimen am Stadtrand ans öffentliche Verkehrsnetz anzuschließen?
Doch denken wir überhaupt noch in solchen großen Zusammenhängen wie einst Otto Wagner? Und warum können wir dieses reiche Erbe heute so schwer abrufen? Gerade nicht nur funktionale, sondern auch ästhetisch anspruchsvolle Architektur hat einen Mehrwert, der weit über die Gebäudesubstanz hinausreicht. Auch in ländlichen Regionen wird der Wunsch nach einem Eigenheim nur zu gerne erfüllt. Ganze Landstriche verkommen zu Betonwüsten. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Bewohner selbst, sondern auch auf unser Klima - die Österreichische Hagelversicherung weist darauf schon seit Jahren hin. Darüber hinaus werden intakte Landschaften durch Verbauung derart strapaziert, dass sie ihre Aura und ihren Lebenswert zunehmend verlieren.
Die Funktionalität der Architektur wird dem fehlenden Geld zugeschrieben. Was tragisch ist, denn Architektur prägt den Menschen im wahrsten Sinne des Wortes. Doch einer sehr stark nach rein ökonomischen Kriterien entscheidenden Gesellschaft fehlt dafür das Verständnis. Der Tag des Denkmals diesen Sonntag ist ein willkommener Anlass, sich mit dem kulturellen Erbe zu beschäftigen, als wichtige Bildungsinitiative und zum Verständnis und Interesse für Kultur, damit Menschen, die man nach ihrem Lieblingsstück von Wolfgang Amadeus Mozart fragt, nicht mit "Die Kugeln" antworten, sondern sich ihnen das künstlerische Werk erschließt. Daran sollten wir arbeiten - durchaus im eigenen Interesse.
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