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Dampfplauderanten und rote Busenfreunde

Von Iris Mostegel

Politik

Rot, Grün, Schwarz, Blau oder doch Orange? Die Wiener Wahlen finden zwar erst im Herbst statt, die "Wiener Zeitung" hat sich aber schon jetzt umgehört und gefragt: Wenn morgen Wahlen wären, wem würden Sie Ihre Stimme geben? Eine Lokaltour.


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Erste Station Wien-Liesing, Heuriger Zahel. Publikum: gehobene Mittelschicht über 40. Besondere Kennzeichen: auffallende Medienscheuheit. Ausnahme ist der 61-jährige Leopold H., der "Wien mit Leib und Seele liebt." Wem wird er bei den Wahlen seine Stimme geben? Seit 40 Jahren wähle er die SPÖ, und das werde selbstverständlich auch diesmal so sein. "Der Häupl ist ein alter Busenfreund von mir, er liebt den Wein wie ich." Alternative zu Rot sehe er keine, schon gar nicht Schwarz: "Ich bin Arbeiter und kein Unternehmer."

Standortwechsel. Wien-Neubau, Blue Box. Publikum: alternative Viennale-Typen zwischen 20 und 35. Julia P., 23-jährige PR-Assistentin, hofft auf die Demontage von Blau-Orange und wünscht sich eine grüne Bürgermeisterin: "Maria Vassilakou ist gut, tough und nicht so eine Dampfplauderantin wie die anderen. Sie wäre ein Symbol dafür, wie Wien sein sollte." Und Häupl? "Nicht schlecht, aber eine graue Maus." An innovative stadtpolitische Akzente des Bürgermeisters kann sich die 23-Jährige nicht recht erinnern: "War es nicht er, der die Pissreifen für Hunde ins Leben gerufen hat?"

Dritte Station Wien-Hietzing, Café Dommayer. Publikum: soignierte ältere Herren und Damen, sehr in Redelaune. Otto P., der 58-jährige Verleger, hofft eigentlich, dass die Bürgerlichen - derzeit nach SP und FP die drittstärkste Kraft in Wien - eines Tages wieder ans Ruder kommen. Aus taktischen Überlegungen werde er aber Rot seine Stimme geben. Begründung: "Würde ich Schwarz wählen, schwäche ich Rot und statt der absoluten SP-Mehrheit stünde uns eine rot-grüne Koalition ins Haus. Eine Konstellation, die Chaos pur bedeutet und es unbedingt zu verhindern gilt."

Wien-Döbling, Fischerbräu. Publikum: Wirtschaftsuniversität-Yuppies um die 30. Christian N., der 33-jährige Vermögensberater, bezeichnet sich als Konservativer. Zumindest auf Bundesebene. Auf Gemeindeebene bevorzugt er Rot: "Häupl ist unser oberster Fiaker-Chef. Er steht für Ruhe und Kontinuität. Kurz: Man weiß, worauf es bei ihm hinausläuft." Und worauf läuft es hinaus? "Wien ist nach Zürich die Stadt mit der weltweit höchsten Lebensqualität. Offensichtlich macht unser Bürgermeister einen guten Job."

Fünfte und letzte Station. Wien-Favoriten, Café Mausloch nähe Reumannplatz. Szenerie: sanfte Musik und raue Töne. "Ich geh nicht wählen. Es ist eh wurscht, wo ich das Kreuzerl mach", schimpft die 50-jährige Maria L. "Unsere Politiker sind alle zum Schmeißn. Lauter Gstudierte, die von unseren Problemen keine Ahnung haben. Die sollten einmal einen Hackler reinsetzen. Dann würd Wien ganz anders ausschauen."