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Danaes Box

Von Michael Schmölzer

Politik

Die Künstlerin Danae Stratou und ihr Mann, der griechische Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis, haben in Krems ein multimediales Kunstprojekt eröffnet.


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"Wiener Zeitung":Sie reisen mit dem multimedialen Kunstprojekt "It’s time to open the Blackboxes!" durch Europa. Worum geht es dabei genau?

Danae Stratou: Das Projekt ist von den Blackboxes inspiriert, wie es sie in Flugzeugen gibt. Die werden nach einem Unfall fallweise entdeckt und man erkennt, warum der Unfall passiert ist. Die Idee besteht darin, die Blackboxes zu öffnen, Licht in die Angelegenheiten zu bringen, die wir als Gesellschaft diskutieren müssen, bevor sich die Katastrophe ereignet. Es funktioniert wie ein Alarm, es ist wie eine Zeitbombe. Die Installation sieht so aus, dass in jeder der 100 Boxen ein Wort zu sehen ist und ein Countdown. Und dazu gibt es Geräusche, wie bei einem Countdown.

Wie weit ist der Countdown schon fortgeschritten? Wie viel Zeit bleibt noch, bevor uns alles um die Ohren fliegt?

Stratou: Als ich das Projekt 2012 in Athen gestartet habe, hat es so ausgesehen, als bliebe noch Zeit. Jetzt, vier Jahre später, ist es für Griechenland schon zu spät. Aber es ist nicht überall zu spät. Es ist nie zu spät. Die Hoffnung ist das Letzte, das stirbt. Es ist ein partizipatorisches Projekt. Wir haben Menschen über die sozialen Medien eingeladen, mit einem Wort zu beschreiben, was sie am meisten ängstigt oder was sie am meisten bewahren wollen. Das spiegelt unsere Hoffnungen und unsere Ängste wider. In Österreich lief dieser Aufruf zwei Monate lang und die Menschen haben teilgenommen. Wenn wir die Blackboxes öffnen, wird offenbar, was wir ändern müssen, um eine Krise zu vermeiden.

Wie wurden die Leute ausgewählt, die ihre Ängste und Hoffnungen artikulieren durften?

Yanis Varoufakis: Ganz einfach: Ein Aufruf über die sozialen Medien ging raus in Zusammenarbeit mit der Plattform Globart. Jeder konnte teilnehmen.

Sie haben das Projekt bewusst im Jahr 2012, als in Griechenland die Krise am Höhepunkt war, gestartet?

Stratou: Ja. Eine Krise kann durchaus paralysieren. Und die Frage war - wie darauf reagieren? In Athen brannte der Hut, aber das tut er überall auf der Welt. Wir sind mit einer gefährlichen Situation konfrontiert. In Österreich war es interessant, dass vielen der Rechtsruck Sorgen macht. Viele haben auch gesagt, Umweltschutz sei wichtig.

Wenn man Griechenland mit Österreich vergleicht: Was sticht im Zusammenhang mit Ihrem Kunstprojekt ins Auge?

Stratou: Mein Eindruck ist der, dass es in Österreich noch nicht diese Verzweiflung gibt. Die Krise ist hier noch nicht bis ins Herz der Gesellschaft vorgedrungen. In Griechenland ist öfter von Verzweiflung die Rede, wenn Menschen ihre Würde verlieren. Hier in Österreich wollen die Menschen eher ihr Haus, ihre Familie beschützt sehen.

Herr Varoufakis: Vor etwa einem Jahr waren Sie griechischer Finanzminister, die Zeitungen waren voll mit Befürchtungen, dass Sie Europa in den Abgrund stoßen könnten. Sie waren der erklärte Held der Linken, als Sie mit den EU-Finanzministern um einen Deal für Griechenland gerungen haben. Bei den zahlreichen Ecofin-Treffen, sind Sie da diesen Blackboxes begegnet? Wie haben die ausgesehen?

Varoufakis: Ja, eindeutig Ja. Denn was ist eine Blackbox? Sie konvertiert Input in Output. Aber Sie wissen nicht, wie das geschieht. So wie dieses Handy, das ist eine Blackbox. Meine Fingerbewegungen werden in einen Anruf umgewandelt, aber wie, das ist mir egal. Hauptsache, es geschieht. Dann gibt es Superblackboxes wie zum Beispiel eine Bank. Die Deutsche Bank, Société Générale, Lehman Brothers. Das ist eine Blackbox auch für die, die diese Banken betreiben. 2008, als das Finanzsystem kollabierte, haben die CEOs der Banken keine Ahnung gehabt, was in ihren Banken vor sich ging. Die waren völlig von den Socken. Die, die diese Derivate konstruiert haben, wussten nicht wirklich, was da drin steckt. Und genau dieses Gefühl hatte ich in der Eurogruppe. Die Eurozone ist wie eine Blackbox. Das ist Input und Output, der soziale Verhältnisse beeinflusst. Arbeitslosigkeit, wenig Investment, Deflation und so weiter. Mein Eindruck war, dass die Finanzminister keine Ahnung hatten, wie die Blackbox funktioniert. Aber sie waren nicht einmal daran interessiert, es herauszufinden. Sie waren mehr daran interessiert, nicht aus der Reihe zu tanzen.

Man hatte stets den Eindruck, dass Sie Ihre Ministerkollegen von Alternativen überzeugen wollten und die sich von einem Professor belehrt fühlten. Die wollten Ihnen nicht zuhören. Varoufakis sollte einfach tun, was man ihm sagt.

Varoufakis: Exakt. Es war wie bei Schafen. Eines folgt dem anderen. Und sie sind extrem ungehalten, wenn eines aus der Reihe tanzt. Aber sie wissen nicht, dass sie sich auf die Klippe zubewegen. Sie haben erwähnt, dass ich Held der Linken war. Vielleicht. Aber das ist irrelevant. Schauen Sie einmal, wer meine Papers geschrieben hat, die der Rest (der Euro-Finanzminister, Anm.) einfach nicht gelesen hat. Das waren keine Linken. Das waren der ehemalige Finanzminister von Thatcher, der frühere Chefökonom der Deutschen Bank, ein Berater von Bill Clinton - kein Linker. Und Jeffrey Sachs von der Columbia University.

Wie beurteilen Sie den Zustand Griechenlands?

Varoufakis: Unser Bruttoinlandsprodukt ist niedriger als letztes Jahr, wir haben mehr Bürger, die ihre Steuern nicht bezahlen können, weil ihnen das Geld dazu fehlt. Wir haben weniger Investitionen und mehr Menschen, die das Land verlassen. Es ist eine komplette Katastrophe, aber eine komplett logische Katastrophe. Ich wurde von den anderen EU-Finanzministern gezwungen, Steuern zu erhöhen. Europa ist für uns eine "failed superblackbox".

Glauben Sie, dass Premier Alexis Tsipras das griechische Volk verraten hat? Oder hat er so gehandelt, wie er handeln musste?

Varoufakis: Er hat ganz klar nicht so gehandelt, wie er hätte handeln sollen. Deshalb bin ich zurückgetreten (lacht).

Und was empfinden Sie, wenn Sie nach Griechenland blicken?

Stratou: Griechenland ist der Grund, warum ich dieses Projekt begonnen habe. Es geht dabei allerdings um die Ängste und Hoffnungen der Menschen, nicht um meine.

Siehe dazu auch: "Wir rasen dem Teufelskreis der 30er Jahre entgegen"